Sicherheit für die gentechnikfreie Landwirtschaft
Brief an Bundesminister Özdemir
Bäuer:innen, Imker:innen, Saatguterzeuger:innen, Umweltschützer:innen und Verbraucher:innen fordern gemeinsam die Sicherung der gentechnikfreien Saatgut- und Lebensmittelerzeugung!

Sehr geehrter Herr Bundesminister Özdemir,
anlässlich des aktuellen Vorschlags der polnischen Ratspräsidentschaft zur geplanten Verordnung zu neuen Gentechniken (NGT) möchten wir Sie erneut bitten, sich für die Sicherung der gentechnikfreien Saatgut- und Lebensmittelerzeugung einzusetzen. Dies fordern über 117.000 Menschen in Deutschland im Rahmen der Petition: „Kennzeichnung und Regulierung aller Gentechnik-Pflanzen erhalten!“ Zudem haben zahlreiche Bürger:innen und Bäuer:innen im Rahmen der Aktionswochen für gentechnikfreies Essen vom 13. September bis 13. Oktober 2024 Fotos mit politischen Botschaften (#GentechnikfreieErnte) gemacht, um ihre Forderungen zu unterstreichen. Die eindrucksvolle Beteiligung zeigt, wie groß der gesellschaftliche Rückhalt ist, für transparente und verantwortungsvolle Regelungen auch bei den neuen Gentechniken.
Die geplante Verordnung zu neuen Gentechnik-Pflanzen steht diesem Wunsch diametral entgegen, denn sollte der Gesetzesentwurf so wie von der EU-Kommission formuliert oder ähnlich durchkommen, wäre eine gentechnikfreie Lebensmittelerzeugung – ökologisch und konventionell – nicht mehr sichergestellt. Das EU-Vorsorgeprinzip würde ausgehebelt. Zentrale Schutzmöglichkeiten vor Kontaminationen und Haftungsregelungen – genauso wie die bestehende Wahlfreiheit würden abgeschafft. Das ist nicht hinzunehmen. Deshalb appellieren wir nachdrücklich an Sie, sich auf nationaler und europäischer Ebene im Ministerrat der Europäischen Union dafür einzusetzen, dass das geplante Gesetzesvorhaben zu neuen Gentechniken abgelehnt oder grundlegend verändert wird. Mindestens sollten folgende zentrale Elemente gesichert sein:
1. Kennzeichnungspflicht: Alle Produkte, die mit Hilfe neuer Gentechniken hergestellt werden, müssen gekennzeichnet sein – vom Saatgut bis zum Teller. Nur so können Verbraucher:innen und alle Akteur:innen der Lebensmittelerzeugungskette informierte Entscheidungen treffen.
2. Risiko- und Zulassungsprüfung aller Gentechnik-Organismen: Auch neue Gentechniken bergen potenzielle ökologische und gesundheitliche Risiken. Eine umfassende und unabhängige wissenschaftliche Bewertung muss sicherstellen, dass keine Gefahr für Mensch und Umwelt entsteht. Die französische Behörde für Lebensmittelsicherheit hat hierzu geeignete Vorschläge gemacht.
3. Wirksame Koexistenz- und Haftungsregelungen nach dem Verursacherprinzip: Im Falle von Schäden, die durch den Einsatz neuer Gentechniken entstehen, muss die Haftung durch die Verursachenden eindeutig geregelt sein. Dies schafft Sicherheit für Bäuer:innen, Saatguterzeuger:innen und Imker:innen sowie Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette.
4. Verpflichtende Nachweisverfahren und Rückholbarkeit: Es müssen verpflichtende Nachweisverfahren auch für NGT-Pflanzen etabliert werden, wenn Unternehmen mit ihren NGT-Produkten auf den europäischen Markt wollen. Die Herkunft und Verbreitung muss jederzeit nachvollziehbar und im Schadensfall muss eine Rückholbarkeit betroffener Produkte möglich sein.
5. Keine Patente auf Saatgut und Tiere: Saatgut und Tiere sind Gemeingüter und dürfen nicht patentiert werden. Dies schützt die Vielfalt unseres Saatguts und ermöglicht eine breite europäische Züchterlandschaft.
Der aktuell diskutierte Vorschlag der polnischen Ratspräsidentschaft bietet keinerlei Schutz vor Patenten: Er geht nicht auf die negativen Auswirkungen der Patente auf Züchter:innen und Bäuer:innen ein, Patente können weiter erteilt werden und verhindern den freien Zugang zu genetischen Ressourcen und sind somit innovationshemmend. Das Problem der Konzentration am Saatgutmarkt bleibt ungelöst. Es braucht eine echte Lösung für das Patentproblem und Maßnahmen, um die Privatisierung genetischer Ressourcen durch multinationale Saatgutunternehmen zu verhindern.
Wir fordern eine gesetzliche Regelung für neue und alte Gentechniken, die Transparenz und Sicherheit gewährleistet, vor Verunreinigungen schützt und die Verursachenden in die Haftung nimmt. Das EU-Vorsorgeprinzip muss gestärkt werden. Dies entspricht den Interessen der Verbraucher:innen und der Umwelt und sichert die wirtschaftliche Existenz vieler bäuerlicher Betriebe und Lebensmittelunternehmen, die auch in Zukunft gentechnikfrei erzeugen wollen und damit dem Wunsch der Bevölkerung nachkommen wollen.
Sorgen Sie dafür, dass Gentechnik weiterhin als Gentechnik gekennzeichnet und geprüft wird. Sorgen Sie für ein EU-Gentechnikrecht, das auch in Zukunft eine gentechnikfreie Saatgut- und Lebensmittelerzeugung – konventionell und ökologisch – sichert.
Mit freundlichen Grüßen der unterzeichnenden Verbände,
Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Gesellschaft (AbL) e.V., Claudia Gerster, Bundesvorsitzende,volling@abl-ev.de
Bioland e.V., Jan Plagge, Präsident, jan.plagge@bioland.de
Biohof Endraß, Bärbel Endraß, Betriebsleitung, info@biohof-endrass.de
Biokreis e. V., Simon Krischer, Geschäftsführer, krischer@biokreis.de
Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V. (BÖLW), Tina Andres, Vorsitzende
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) e.V., Olaf Bandt, Vorsitzender,
daniela.wannemacher@bund.net
De Immen e.V., Marcus Alm, Vorstand, m.alm@de-immen.de
Demeter e.V., Dr. Alexander Gerber, Bundesvorstand, alexander.gerber@demeter.de
Deutscher Naturschutzring e.V., Florian Schöne, Geschäftsführer, florian.schoene@dnr.de
Dottenfelderhof Bio-Saat GmbH, Dr. Carl Vollenweider, Co-Geschäftsführer Forschung &
Züchtung Dottenfelderhof, carl.vollenweider@dottenfelderhof.de
Gen-ethisches Netzwerk e.V., Judith Düesberg, Referentin für Landwirtschaft und Lebensmittel, judith.dueesberg@gen-ethisches-netzwerk.de
IG Nachbau, Georg Janßen, Geschäftsführer, janssen@ig-nachbau.de
Interessengemeinschaft für gentechnikfreie Saatgutarbeit, Dr. Eva Gelinsky, Leiterin politische Koordination, eva.gelinsky@ig-saatgut.de
Neuer Imkerbund, Jürgen Binder, Präsident, praesident@neuer-imkerbund.de
Stiftung GEKKO, Dr. Manuel Schneider, Vorstand, info@stiftung-gekko.de
Save Our Seeds, Benedikt Haerlin, Geschäftsführer, Haerlin@zs-l.de
Verbund Ökohöfe e.V., Sophie Blessinger, Bereich Tierhaltung, sophie.blessinger@verbund-oekohoefe.de
Judith Düesberg ist Ökologin und Mitarbeiterin des GeN.