Rezension: Wessen Gene, wessen Ethik?

 

Wessen Ethik?

Rechte und Gruppenrechte in der Bio- und Medizinethik sind die Themen von Arnd Wasserloos. Mit seiner Dissertationsschrift liegt erstmals eine detaillierte, deutschsprachige Abhandlung zu den "Herausforderungen" vor, "mit denen Humanwissenschaften und Bioethik bei der Erforschung der genetischen Vielfalt der menschlichen Spezies konfrontiert sind". Diese "Herausforderungen" im Blick bearbeitet Wasserloos exemplarisch das ,Human Genome Diversity Project': jenes gescheiterte, weltweite Vorhaben, das darauf abzielte, mittels populationsgenetischer Theorien und Techniken nach Unterschieden zwischen "Populationen", also bestimmten Bevölkerungsgruppen, zu suchen. Wasserloos nimmt methodologische Kritik und vor allem die Kritik von denjenigen, von denen die Proben potentiell gesammelt werden sollen, der Indigenen, zum Anlass und widmet sich rechtlichen und ethischen Konfrontationslinien zwischen Genetikern und den Gruppen und Individuen, auf die diese Forschung abzielt. Populationsgenetik arbeitet mit statistischen Populationen. Diese Einheiten kollidieren mit gesellschaftlichen Lebensweisen. Deshalb reagieren Gemeinschaften und Personen kritisch auf solche gentechnologischen Konfrontationen. Doch wie wird dieser Kritik begegnet? Mit Ethik, mit Fragen nach Rechten und Partizipation. Informierte Einverständnisse Einzelner sichern bisher Forschung und Individuen rechtlich ab. Wie verhält es sich hingegen bei populationsgenetischer Forschung, die auf Aussagen zu Gruppen abzielt? Welche Rechte schützen, wenn Aussagen auch Zeugnis über Individuen dieser Gruppe ablegen (sollen)? Wen und was sichern Gruppenrechte beziehungsweise gruppenbezogene ethische Standards in der Forschung allgemein? Diese Fragen diskutiert Wasserloos. Aufschlussreich ­ besonders in den Fußnoten ­ ist sein Buch, das diesen Komplex gelungen zeigt.
Arnd Wasserloos: Wessen Gene, wessen Ethik? Die genetische Diversität des Menschen als Herausforderung für Bioethik und Humanwissenschaften, Weißensee Verlag, Berlin 2005, kartoniert, 34 Euro, ISBN 3-89998-074-3

 

Erschienen in
GID-Ausgabe
180
vom Januar 2007
Seite 54

Torben Klußmann ist Sozialwissenschaftler aus Hamburg. Er ist unter anderem über den Twitter-Account @tweets_by_T zu erreichen.

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