Bye-bye BASF!
Der BASF-Konzern gibt den europäischen Markt auf
Der BASF-Konzern verlegt die Zentrale seiner Agro-Gentech-Sparte in die USA und stoppt alle Produkte, die „ausschließlich auf den europäischen Markt ausgerichtet sind“.
Auf meinem Schreibtisch schlummern noch zwei Mitbringsel von der BASF-Hauptversammlung 2010: Es sind zwei Zettelchen (je zirka 6,5 auf 6,5 Zentimeter), die ich von einem dieser würfelförmigen Notizblöcke abgerissen habe, wie sie vermutlich in der ein oder anderen Form auf jedem zweiten Schreibtisch dieser Welt zu finden sind. Es sind diese Blöcke, die scheinbar nie zu Ende gehen - jedenfalls geht das mir so. Einmal in gefühlten hundert Jahren nimmt man von irgendeinem Grabbeltisch mit Werbegeschenken einen solchen Block mit und dann ist man - gefühlt - versorgt bis zum sprichwörtlichen Sankt-Nimmerleins-Tag.1) Diese beiden Zettelchen sind sich auf den ersten Blick zum Verwechseln ähnlich: weiß und im gleichen Format. Da bleibt für Individualität nicht viel Spielraum. Doch es gibt einen entscheidenden Unterschied. Eines der Zettelchen besteht aus Papier, das mit der Stärke von gentechnisch veränderten Amflora-Kartoffeln hergestellt wurde. Ich erinnere mich noch gut an den hilflosen Gesichtsausdruck des jungen Mannes, der dazu verdonnert worden war, diese wahrlich revolutionäre Anwendung des Vorzeigeproduktes der BASF-Pflanzen-Biotechnologie-Sparte im Rahmenprogramm der Hauptversammlung 2010 anzupreisen. „Ja, Sie haben recht, das ist jetzt wirklich nur mäßig überzeugend, wenn wir uns vor Augen führen, was für ein Buhei um diese gentechnisch veränderte Kartoffel gemacht wird“, sprach sein Blick zu mir.2 Dabei hatten die PR-Strategen des Konzerns sogar noch geschummelt, denn das Papier aus Nicht-Amflora-Stärke wirkt bei genauerer Betrachtung, als sei es in einer Ferienfreizeit der DPSG 3 von Kindern im Grundschulalter handgeschöpft worden. Ich will mich nie wieder über die Grüne Gentechnik und ihre Proponenten lustig machen, wenn der Versuch, die Aktionäre vom Sinn der Amflora zu überzeugen, kein unfairer Wettkampf war. Aber gut, genutzt hat es alles nichts. BASF gibt den europäischen Markt auf. Und damit ist die Amflora-Kartoffel - die nach ihrem vierzehnjährigen Marsch durch die Institutionen der EU-Zulassung schon zu Beginn ihrer kommerziellen Nutzung im Jahre 2010 buchstäblich von gestern war - jetzt auch buchstäblich gegessen. Der Konzern hat Mitte Januar in einer Pressemitteilung bekannt gegeben, dass „Entwicklung und Kommerzialisierung aller Produkte, die ausschließlich auf den europäischen Markt ausgerichtet sind“, gestoppt werden; eingeleitete Zulassungsprozesse „werden weitergeführt“.4 Zwei Forschungsstandorte sollen in Europa bestehen bleiben: metanomics in Berlin und CropDesign in Gent (Belgien) werden nicht geschlossen beziehungsweise sogar weiter ausgebaut. Die Zentrale für die Pflanzen-Biotechnologie-Aktivitäten des Konzerns wird von Limburgerhof in Rheinland-Pfalz nach Raleigh im US-Bundesstaat North Carolina verlegt. Diese Aktivitäten sind in dem Unternehmen BASF Plant Science zusammengefasst. Ob es der BASF 2010 gelungen ist, mit den kleinen Zettelchen die eigenen Aktionäre von der Amflora zu überzeugen, ist nicht überliefert. Bei den europäischen Bäuerinnen und Bauern ist das - so viel ist sicher - bis heute nicht gelungen und die Chancen stehen gut, dass dies auch bis zum Sankt Nimmerleins-Tag dauern könnte.
Siehe auch: www.gen-ethisches-netzwerk.de/basf. Im Büro des Gen-ethischen Netzwerk können Sie weitere Informationen zur BASF und ihren Pflanzen-Biotechnologie-Aktivitäten bestellen.
- 1„Sankt Nimmerlein“ ist laut der Internet-Enzyklopädie Wikipedia „ein erfundener Heiligenname, der umgangssprachlich verwendet wird, um nach ihm einen Termin zu benennen (den „Sankt-Nimmerleinstag-Tag“), der niemals eintreten wird“. Siehe www.wikipedia.org > Sankt Nimmerlein.
- 2Auch: „Bohei“. Landschaftlich für „Aufheben“ im Sinne von „Gewese“, „Theater“ oder „Trara“.
- 3Deutsche Pfadfinder Sankt Georg, im Netz unter www.dpsg.de und in jedem gut sortierten Wald.
- 4BASF konzentriert Pflanzenbiotechnologie-Aktivitäten auf Hauptmärkte in Nord- und Südamerika“, PM BASF vom 16.01.12. Im Netz unter www.basf.com.
Christof Potthof war bis Ende April 2020 Mitarbeiter im GeN und Redakteur des GID.