Sicherheitsforschung - Tarnnetz deutscher Agrogentechnik?
Auch mit Sicherheitsforschung wird die Agro-Gentechnik gefördert
Umweltverbände fordern sie, die Grünen wollen mehr davon, Gentechnikkonzerne und auf industrialisierte Landbewirtschaftung orientierte Uni-Institute machen sie: Ist die Biosicherheitsforschung ein gemeinsames Interesse über politische Gräben hinweg? Oder ist sie Tarnung für ein Programm, das in einem Land mit gentechnikkritischen Mehrheiten die Ausbringung genmanipulierter Saat durchsetzbar machen soll?
Der Ruf nach mehr Sicherheitsforschung 1, 2 kittet die Kluft zwischen verbaler Gentechnikkritik und versteckter Wirtschaftsförderung. Politikerinnen und Politiker verschiedener Parteien haben ebenso wie viele Verbände in den Chor der CSU eingestimmt, den deren Chef Horst Seehofer etwa vor Jahresfrist zum Umgang mit gentechnisch veränderten Pflanzen anstimmte: mehr Forschung, weniger kommerziellen Anbau. Am Runden Tisch, der auf Initiative von Forschungsministerin Schavan seit Frühjahr 2009 das Image der grünen Gentechnik retten und Möglichkeiten der konfliktarmen Anwendung prüfen soll, frohlockten die GentechnikanwenderInnen. Die Forderungen der Umweltverbände seien doch längst erfüllt, meinten die „Experten”. Sie stimme mit den Zielen der Verbände in den meisten Punkten überein, wird Deutschlands Gentechnik-Freisetzerin Nr.1, eine Professorin aus Rostock, zitiert, nur nicht über den Weg dorthin. Sie sei zufrieden, dass sich die Verbände von „gewalttätigen Feldzerstörungen distanzierten”.3
Biosicherheit: Greenwashing der Agro-Gentechnik
Angesichts schlechter Umfragewerte und zunehmender Bedenken unter PolitikerInnen und LandwirtInnen soll die Biosicherheitsforschung neue Akzeptanz für die Gentechnik schaffen. Während tatsächlich an neuen Produkten gewerkelt oder einfach nur Fördermittel für ohnehin geplante Forschungen akquiriert werden, inszenieren sich ForscherInnen als Verbündete besorgter VerbraucherInnen und UmweltschützerInnen. Das wird fürstlich belohnt: Hinter dem Biosicherheitsprogramm versteckt sich die zur Zeit wichtigste öffentliche Förderquelle für Freisetzungen. Genau dieses Anpflanzen gentechnisch veränderter Sorten im Freiland stößt auf öffentliche Kritik und bedarf deshalb der propagandistischen Verschleierung. Dabei liegt ein Teil des Problems bereits in der politischen Konzeption des Biosicherheits-Programms, das die „Entwicklung biologischer Methoden“ selbst als Fördergegenstand benennt, wenn auch werbeträchtig „zur Begrenzung der Ausbreitungsfähigkeit gentechnisch veränderter Pflanzen beziehungsweise ihrer Inhaltsstoffe über Pollen, Samen, Knollen und Durchwuchs” gefördert werden sollen.4
Was steckt unter dem Deckmantel der Sicherheitsforschung?
Wer nach Ergebnissen der vielen angeblichen Sicherheitsversuche forscht, wird nur selten fündig. Die aus den Mitteln des Biosicherheitsprogramms geförderte Propagandaseite www.biosicherheit.de listet Versuchsbeschreibungen von zur Zeit 184 Experimenten auf. Die dort genannten Ergebnisse sind allgemein und verweisen nur in Einzelfällen auf weitere Quellen oder Veröffentlichungen. Das ist mager angesichts der über 100 Millionen Euro Kosten, die bislang in die Sicherheitsforschung gelangten.5 Ein genauerer Blick auf aktuell laufende Versuche zeigt deutlich, dass es in vielen der Projekte um ganz andere Ziele geht:
• Produktentwicklung: Finanziert aus dem Sicherheitsprogramm der Bundesregierung werden neue Pflanzen entwickelt oder erprobt. Die Erkenntnisse gehen direkt an die Konzerne und helfen bei der Entwicklung. Viele VersuchsleiterInnen universitärer Sicherheitsforschung verfügen über Patente, die über große Gentechnikkonzerne angemeldet wurden, so Prof. Kogel (Gießen) mit BASF und Prof. Broer (Rostock) vor allem mit BAYER. Der zur Zeit umfangreichste staatlich durchgeführte Versuch mit gentechnisch verändertem Mais in Braunschweig überprüft neu entwickelte Pflanzen zeitlich vor ähnlichen Testanwendungen der Herstellerfirma Monsanto. Die Ergebnisse können folglich direkt in die Weiterentwicklung der Pflanzensorten einfließen.
• Methodenforschung: Weitreichendere Folgen für die Ausdehnung gentechnischer Anwendungen in der Landwirtschaft können Versuche sein, mit denen neue gentechnische Methoden erforscht werden. Solche Experimente werden zum Beispiel mit gentechnisch veränderter Gerste an der Universität Gießen durchgeführt. Das Versuchsprogramm in Kooperation mit der Universität Erlangen und der Washington State University wird trotzdem mit inzwischen über 0,6 Millionen Euro aus dem Biosicherheitsprogramm bezuschusst. Die im Förderantrag angegebenen Forschungen sind vorgeschoben, um an das Geld zu kommen 6, welches wiederum zu über 90 Prozent in die ohnehin bestehenden Personalstellen des versuchsdurchführenden Instituts fließt.
• Akzeptanzbeschaffung und Firmenaufbau: Andere Versuche haben gar keinen erkennbaren wissenschaftlichen Hindergrund/ gar keine erkennbaren wissenschaftliche Ziele. Sie dienen der Etablierung gentechnischer Anwendungen oder dem Aufbau von Firmen und Einrichtungen mit Steuergeldern. Bekannteste Beispiele sind der Firmenverbund BioOK, der mit Millionen zum Weltmarktführer bei Freisetzungsversuchen aufgebaut werden soll, und der Schaugarten „BioTechFarm” in Üplingen, wo mittlerweile zehn Versuchsfelder genehmigt sind. Diese Felder dienen allein der Propaganda.
Wer forscht? Seilschaften zwischen Anwendung, Überwachung und Nutznießern
Ein wichtiger Versuch zu Grenzwerten und Abstandsregelungen wurde vom Julius-Kühn-Institut (JKI), einer Bundesfachanstalt, die zum Landwirtschaftsministerium gehört, in Sickte (nahe Braunschweig, siehe Kasten) durchgeführt. Leiter des „Instituts für Sicherheit in der Gentechnik“ ist Joachim Schiemann. Doch schon 2002, lange bevor diese Untersuchungen begannen, forderte er höhere Grenzwerte: „Eine gentechnikfreie Produktion mit Nulltoleranz ist nicht praktikabel. Selbst bei einem völligen Verzicht wären Schwellenwerte für unbeabsichtigte Anteile von GVO in Importwaren unabdingbar. Werden geeignete Schwellenwerte vereinbart, ist eine Koexistenz möglich. Für den Saatgutbereich bedeutet das einen Schwellenwert von mindestens einem Prozent für unbeabsichtigte gv-Beimengungen.”7 Schiemann tritt öffentlich als Befürworter der grünen Gentechnik auf. Als verantwortlicher Forscher will er deren Handhabbarkeit verbessern und als Lobbyist 8 den gesetzlichen Rahmen so verändern, dass die Anwendungen möglich sind. Das Ziel seiner Forschungen war daher von Beginn an vorgegeben - die klare Koexistenzregelung des Gentechnikgesetzes soll unterlaufen werden. Dass Schiemann mit solchen Positionen auftritt, mag überraschen. Er gehört zu einer Bundesanstalt, die dem Landwirtschaftsministerium als fachliche Beratung dient und Benehmensbehörde bei der Genehmigung von Freisetzungen ist. Doch Schiemann stellt keine Ausnahme dar. Ganz im Gegenteil: Zwischen Behörden, Fachanstalten, Konzernen und Gentechnik-Kleinstfirmen sowie Lobbyverbänden, universitärer Forschung und Geldvergabestellen hat sich ein intensiver personeller Filz entwickelt.9 Die Genehmigungsbehörde setzt mit Sofortvollzug beantragte Versuche durch - oft gegen viele Einwendungen von betroffenen Landwirten bis zu zuständigen Gemeinderäten. Landes-Überwachungsbehörden vertuschen Pannen im Versuchsablauf. Immer wieder treten genau die Personen als vermeintlich unabhängige GutachterInnen auf, deren Versuche gerade zur Entscheidung anstehen. Das Netz der GentechnikbefürworterInnen ist eng. In den Führungsetagen der Fachbehörden, Geldvergabegremien, Abteilungen und Expertenkommissionen agieren Personen aus diesen Seilschaften. KritikerInnen sind weit und breit nicht mehr zu finden. So begründet sich, warum bislang praktisch jeder beantragte Freisetzungsversuch auch genehmigt wurde und trotz 80 Prozent Ablehnung in der Bevölkerung sehr viel Geld gerade für diese Forschung ausgegeben wird. Um den Schwindel mit der Sicherheitsforschung nicht auffliegen zu lassen, verweigern ausgerechnet die OrganisatorInnen der Sicherheitsforschung selbst den nach Umweltinformationsgesetz möglichen Einblick in ihre Akten. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BLV), oberste Bundesbehörde bei gentechnischen Versuchen, musste mühevoll per Gericht gezwungen werden, sich an das geltende Recht zu halten. Die Bundesfachanstalten (Julius-Kühn- und das Von-Thünen-Institut) verweigern die Akteneinsicht 10 weiterhin - ebenso das Forschungszentrum Jülich, welches die Fördermittel des Sicherheitsprogramms verwaltet.11
Kommunikation der Sicherheit
Die das Förderprogramm begleitende Webseite biosicherheit.de besteht seit 2001 und wurde im Zeitraum 2004 bis 2008 12 durch das BMBF als Kommunikationsprojekt mit 1,8 Millionen Euro gefördert. Das redaktionelle Team besteht aus Kristina Sinemus, Klaus Minol und weiteren MitarbeiterInnen der Firma Genius, Gerd Spelsberg und weiteren Personen von TransGen und zwei Bediensteten des TÜV NORD. Alle drei Agenturen befürworten die Gentechnik und haben ein wirtschaftliches Interesse an ihren Anwendungen. Genius und TÜV NORD sind zum Beispiel Mitglieder des Wirtschaftsverbandes BIO Deutschland. Genius arbeitet zudem als PR-Agentur für Gentechnikfirmen. Für die Kritik an grüner Gentechnik und ihrer Propaganda einer unabhängigen Sicherheitsforschung heißt das, dass der Ruf nach mehr Forschung genau die stärkt, die unter dem Deckmantel dieser Forschung die Gentechnik in die Köpfe und auf die Äcker bringen wollen. Vor jeglicher Debatte über Forschungsansätze muss daher die Auseinandersetzung um Sinn und Nutzen der Gentechnik stehen - und die über die Seilschaften, welche Geldquellen, Genehmigungsverfahren, PR-Arbeit und Forschung kontrollieren.
- 19-Punkte-Katalog von DNR, BÖLW, NABU, BUND, Greenpeace und VDW im Juli 2009. Siehe dazu Notiz „Runder Tisch Agro-Gentechnik” unter kurz notiert, Seite 42 in diesem GID.
- 2Das Programm wurde auch unter Renate Künast fortgeführt und ausgebaut. In jüngster Zeit sprachen sich unter anderem Bärbel Höhn (AP, 22.7.2009) und Renate Künast in ihrer Kritik am Runden Tisch für mehr Sicherheitsforschung aus.
- 3Taz-Blog Save our Seeds am 24.7.2009, im Netz unter: http://blogs.taz.de/saveourseeds.
- 4www.bmbf.de/foerderungen/10496.php.
- 5Pressemitteilung des BMBF vom 22.7.2009.
- 6Ergebnisdokumentation der Recherchen zum Gießener Gersteversuch unter www.projektwerkstatt.de/gen/unigen_lage.htm.
- 7www.transgen.de/wissen/diskurs/477.doku.html.
- 8Zum Beispiel als Mitglied der Initiative PRRI - Public Research & Regulation Initiative, im Netz unter: www.pubresreg.org/.
- 9Siehe auch: Antje Lorch & Christoph Then (2008): „Kontrolle oder Kollabotation - Agro-Gentechnik und die Rolle der Behörden” im Netz unter www.ifrik.org/node/217 und Jörg Bergstedt: (2009); „Organisierte Unverantwortlichkeit - Reader zum Filz zwischen Konzernen, staatlicher Kontrolle, Wirtschaftsförderung und Lobbying deutscher Gentechnik”, im Netz unter: www.biotech-seilschaften.de.vu.
- 10Akteneinsichtsanträge zum Versuchsfeld in Braunschweig.
- 11Akteneinsichtsantrag zum Gerstenversuchsfeld der Uni Gießen.
- 12Bundestags-Drucksache 16/6208.
Jörg Bergstedt ist seit Jahren Aktivist und Autor. Neben der Agro-Gentechnik interessieren ihn unter anderem weitere Umwelt-relevante Themen und allgemeine Herrschaftsfragen.
Maisversuche der RWTH Aachen und anderer in Braunschweig
Die als Sicherheitsforschung deklarierten und von Steuergeldern finanzierten Versuche werden vor allem der Firma Monsanto bei der Produktentwicklung helfen. Diese beantragte eine Freisetzung von 2009 bis 2012 in Üplingen mit genau dem gleichen Maishybrid MON 89034 x MON 88017. Als Ziel von Monsanto steht im Standortregister: „Im Rahmen der beantragten Freisetzung sollen die agronomischen Eigenschaften der gentechnisch veränderten Maislinien MON 89034 x MON 88017 und MON 89034 x NK603 sowie der zu Grunde liegenden Elternlinien geprüft und mit denen anderer konventioneller und gentechnisch veränderter Hybriden verglichen werden. Des Weiteren sollen zulassungsrelevante Daten und Anwendungsempfehlungen zum Einsatz glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel für die Anwendung in den gentechnisch veränderten Maislinien MON 89034 x MON 88017 und MON 88017 sowie MON 89034 x NK603 und NK603 erarbeitet werden.“ Was Monsanto im Antrag angab, nämlich „zulassungsrelevante Daten und Anwendungsempfehlungen zum Einsatz glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel für die Anwendung“ in einem Freilandversuch zu erarbeiten, machte RWTH Aachen mit Steuergeldern und unter dem Deckmantel der Sicherheitsforschung. Praktisch für den Konzern, riskant für Mensch und Umwelt, denn beim RWTH-Versuch sei „ein Eintrag von gentechnischen Veränderungen in konventionelle Sorten eine mit der Freisetzung in Kauf genommene und genehmigte Folge einer Freisetzungsgenehmigung“.
(Jörg Bergstedt)