Zementiertes Landwirtschaftsmodell

Die Folgen der Bayer-Monsanto-Übernahme für Südafrika

Die geplante Übernahme von Monsanto durch Bayer muss von Behörden auf der ganzen Welt genehmigt werden - auch von der Wettbewerbskommission Südafrikas. Sie sollte das Vorhaben genau prüfen, denn Monsanto dominiert bereits heute ganze Marktsegmente. Die Fusion würde die Machtposition weiter ausbauen und das herrschende Technologie-orientierte Landwirtschaftsregime zementieren.

Mais ist die bedeutendste Nutzpflanze in Südafrika: 56,4 Prozent des gesamten Saatgutumsatzes wird mit Mais erzielt. Auf Platz zwei steht Soja mit einem Marktanteil von nur 5,3 Prozent. Die kommerzielle Nutzung gentechnisch veränderter (gv) Sorten ist bisher bei drei Kulturen zugelassen: Mais, Soja und Baumwolle. Südafrika ist damit das erste und bisher einzige Land weltweit, das gv-Sorten für sein Hauptnahrungsmittel - Mais - zugelassen hat. In der Praxis werden quasi nur diese gv-Sorten verwendet, hybride oder offen abblühende Sorten sind im kommerziellen Anbau bedeutungslos.

Zahlen über die Marktanteile der einzelnen Saatgutkonzerne sind nicht öffentlich verfügbar. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass Monsanto der Marktführer für Maissaatgut ist. Aus der nationalen Sortenliste geht hervor, wie viele Sorten die einzelnen Unternehmen registriert haben. Demnach hält DuPont Pioneer mehr Maissorten als alle anderen Unternehmen, die Mehrheit davon sind gv-Sorten. DuPont gehören 78 Prozent der gv-Sorten von weißem Mais, 68 Prozent der gv-Sorten von gelbem Mais und 51 Prozent aller nicht-gentechnisch veränderten Hybridmaissorten. Gemessen an der Anzahl der zugelassenen Sorten spielt Monsanto eine deutlich kleinere Rolle als DuPont. Allerdings enthalten quasi alle in Südafrika erhältlichen gv-Mais- und Sojasorten Eigenschaften (so genannte Traits), die von Monsanto patentiert wurden - auch die Sorten von DuPont Pioneer.

De-facto Monopol

Ähnlich ist die Situation bei Sojabohnen, Südafrikas wichtigster Ölsaat und ein Hauptbestandteil in Futtermitteln: 2013 waren bereits 90 Prozent des in Südafrika angebauten Sojas gentechnisch verändert. Der nationalen Sortenliste zufolge gehören 31,3 Prozent aller gv-Sojasorten DuPont Pioneer, 7,2 Prozent Monsanto. Man könnte also denken, dass der Wettbewerb bei Sojasaatgut etwas stärker sei als bei Mais und dass LandwirtInnen eine größere Auswahl hätten. Fast alle gv-Sorten enthalten jedoch Monsantos Herbizidtoleranz-Trait, da andere Unternehmen auf Monsantos Technologien zurückgreifen. Das stellt bereits heute ein de-facto Monopol dar.

Die Biotech-Industrie befindet sich in einem Wettlauf gegen die Entwicklung immer neuer resistenter Unkräuter und Insekten. Ihre Antwort besteht darin, neue Sorten zu entwickeln, die gegen immer mehr Agrarchemikalien tolerant sind. Derzeit werden gv-Mais- und Sojasorten auf den Markt gebracht, die gegen 2,4-D (im Eigentum von Dow) und Glufosinat-Ammonium (im Eigentum von Bayer) tolerant sind. Die erste Generation von Monsantos gv-Traits wurde in den 1990er Jahren entwickelt und patentiert. Patente laufen in der Regel nach 20 Jahren aus, somit sind einige dieser Traits bald patentfrei. Die Strategie des Konzerns besteht darin, gv-Sorten mit mehreren Eigenschaften auszustatten (so genannte Stacked Traits). Dann können die Sorten für weitere 20 Jahre als „neue“ Sorten patentiert werden, obwohl die darin enthaltenen Technologien alt sind. Eine Fusion zwischen Bayer und Monsanto wird es den Unternehmen erlauben, ihre patentierten Technologien zusammenzulegen und so die Palette an Stacked Traits (sowie an neuen erstmals patentierten Sorten), die sie entwickeln können, auszuweiten.

Pfadabhängigkeiten

Bereits heute operiert die südafrikanische Landwirtschaft innerhalb eines zunehmend Technologie-orientierten Regimes. Dieses gibt beispielsweise vor, „welche Art von Innovationen (scheinbar) benötigt werden - zum Beispiel, was ‚gute landwirtschaftliche Praxis‘ genau bedeutet - und welche Art von Forschung das Wissenschaftssystem leisten soll“.1 Das dominierende Regime basiert auf Forschung und Entwicklung, die auf Großtechnologien ausgelegt ist und von Konzernen finanziert und durchgeführt wird. Es sieht LandwirtInnen nicht selbst als Innovatoren, sondern betrachtet sie als passive EmpfängerInnen von Top-Down-Innovationen, deren Bewertungsmaßstab die Interessen der Großkonzerne bilden. Dieses Regime schafft Pfadabhängigkeiten und institutionelle Logiken, die zunehmend schwieriger zu verändern sind.

Dieses Technologie-orientierte Regime basiert auf gv-Sorten sowie Hybridsorten und den dazu passenden Agrarchemikalien, die nicht voneinander entkoppelt werden können: Die Technologien kommen in einem unsichtbaren Paket, das Traits, Saatgut und Chemikalien enthält. Die Fusion von Bayer und Monsanto wird die Dominanz dieses Modells noch verstärken, da die Forschung darauf ausgelegt sein wird, geistige Eigentumsrechte möglichst vorteilhaft mit Saatgut und Agrarchemikalien zu kombinieren. Landwirtschaftsbetriebe sind zunehmend dazu verdammt, diese technologischen Pakete zu übernehmen - zu den Bedingungen, die die Konzerne diktieren. Es gibt nahezu keine andere Möglichkeit, als innerhalb der Grenzen dieses dominanten technologischen Regimes zu arbeiten, wie die fast vollständige Übernahme von gv-Mais und -Soja inklusive der dazugehörigen Chemikalien in Südafrika zeigt. Die Möglichkeiten für (gentechnikfreie) Alternativen verschwinden, während die LandwirtInnen immer abhängiger davon werden, dass die Konzerne neue technische „Lösungen“ für Schädlingsresistenzen und ausbleibende Ertragszuwächse entwickeln. Die zunehmende Konzentration von Eigentum an diesen Technologien wird all das noch verstärken.

Höhere Preise

Die Preise, die Landwirtschaftsbetriebe für Betriebsmittel zahlen müssen, steigen seit Jahrzehnten. Gleichzeitig sind die Preise, zu denen sie ihre Ernte verkaufen können, gleich geblieben oder sogar zurückgegangen. MaisproduzentInnen in Südafrika beispielsweise machen sich sehr große Sorgen wegen des beständigen Anstiegs der Saatgutpreise - der andererseits unmittelbar mit den steigenden Umsätzen der Saatgutunternehmen zusammenhängt. Es ist kein Zufall, dass diese Kluft gleichzeitig mit der Konsolidierung in der Saatgutindustrie sowie mit der Ausbreitung von gv-Saatgut stattgefunden hat, das mit einer Reihe von zusätzlichen Gebühren und Kosten verbunden ist. Die höheren Kosten für Saatgut sollten durch höhere Erträge wieder kompensiert werden, aber diese Rechnung geht nur für die größten Betriebe auf.

Wenn das Eigentum und die Entwicklung von Saatgut in wenigen Händen konzentriert sind, können die SaatguteigentümerInnen die Preise künstlich hochhalten und ihre Profite erhöhen. Wenn mehrere Traits in einer Sorte kombiniert werden, können auch die dafür aufzubringenden Lizenzgebühren kombiniert beziehungsweise addiert werden: Wenn jedEr EigentümerIn eines Traits beim Verkauf des Saatguts Lizenzgebühren erhalten will, erhöhen sich die Saatgutpreise. LandwirtInnen, die in einem auf gv-Saatgut und passendem Herbizid basierenden technologischen Pfad feststecken, müssen diese beständig steigenden Kosten aufbringen - unabhängig von den Preisen, die sie für ihre Produkte erzielen können. Die Risiken tragen also die LandwirtInnen, die weniger Möglichkeiten haben auf alternatives Saatgut und Pflanzenschutzmethoden zurückzugreifen. Steigende Preise für landwirtschaftliche Betriebsmittel führen wiederum zu höheren Lebensmittelpreisen. Schätzungen des südafrikanischen National Agricultural Marketing Council (auf deutsch etwa: Nationaler Rat für die Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse) zufolge wird Maismehl für jedes Prozent, das der Maispreis steigt, um durchschnittlich 0,33 Prozent teurer. LandwirtInnen, die ihr Saatgut auf dem Markt kaufen, geben etwa zehn bis zwölf Prozent ihrer Ausgaben für landwirtschaftliche Betriebsmittel für Saatgut aus. Bei kleinbäuerlichen Betrieben kann dieser Anteil sogar zwischen 16 (für alte Hybridsorten) und 43 (für bestimmte gv-Sorten) Prozent betragen. Steigende Saatgutpreise können daher Auswirkungen auf Lebensmittelpreise haben und sich besonders für Kleinbauern und -bäuerinnen sowie für ihre Kundschaft - in erster Linie die arme ländliche Bevölkerung - negativ auswirken.

Genaue Prüfung nötig

Die geplante Konzernübernahme findet in einem von Ungleichheiten dominierten Feld statt: Während die Konzerne Milliarden Dollar und beliebig viel Zeit zur Verfügung haben, um ihre Anträge vorzubereiten, werden Behörden und Öffentlichkeit bis zuletzt im Dunkeln gehalten. Die südafrikanische Wettbewerbskommission hat dann nur zwei Monate Zeit, um eine Entscheidung zu treffen. Diese Zeit sollte sie nutzen, um Informationen zu den Marktanteilen der einzelnen Konzerne und deren Lizenzierungsvereinbarungen zu erfragen und die zu erwartenden Folgen der Fusion eingehend zu untersuchen.

 

Zusammenstellung und Übersetzung: Anne Bundschuh

Dieser Text basiert auf einer Eingabe des African Centre for Biodiversity (ACB) an die Südafrikanische Wettbewerbskommission im März 2017. Das 34-seitige englischsprachige Dokument kann heruntergeladen werden unter www.acbio.org.za oder www.kurzlink.de/gid241_z.

  • 1Siehe Schut, M. et al. 2016: Innovation platforms: Experiences with their institutional embedding in agricultural research for development. Experimental Agriculture, 52(4), 537-561. doi:10.1017/S001447971500023X.
GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
241
vom Mai 2017
Seite 20 - 21

African Centre for Biodiversity

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