Rezension: Keine medizinische Entscheidung
Die Reportage von Ilka aus der Mark liefert gut recherchierte und aufbereitete Informationen über den Nicht-invasiven Pränataltest (NIPT) auf Trisomien. Aufschlussreich werden die aktuellen Entwicklungen dargestellt und geschickt verwebt mit den Geschichten von (werdenden) Eltern. Es wird deutlich: Der scheinbar harmlose vorgeburtliche Bluttest „ohne Gefahr für das Baby“, hat seine Tücken. Liegt ein auffälliges Ergebnis vor, erfolgt nicht die gewünschte Entlastung, sondern werdende Eltern stehen unerwartet vor „der schwersten Entscheidung ihres Lebens“. Drei Paare erzählen in ruhiger Atmosphäre sehr offen von ihren persönlichen Erfahrungen mit dem Test, dem auffälligen Befund und dem daraus resultierenden Entscheidungsdilemma. Obwohl der Film nur 44 Minuten lang ist und neben den Erfahrungsberichten viele Expert*innen aus Medizin und Ethik zu Wort kommen, gelingt es aus der Mark eine besondere Nähe zu den Paaren aufzubauen. Diese sprechen offen über schwierige Erfahrungen mit Ärzt*innen, eigene Perfektionsansprüche an das werdende Kind, Angst vor Behindertenfeindlichkeit im Bekanntenkreis sowie vor einer Gesellschaft, in der Kinder mit Behinderung zukünftig als „Makel“ wahrgenommen werden. Die Reportage macht auf einfühlsame Weise spürbar, wie alleingelassen sich die Paare mit der Entscheidung darüber, „ob das Kind leben darf oder nicht“, fühlten. Ohne moralischen Zeigefinger gegenüber werdenden Eltern, die sich für den Test entscheiden, zeigt der Film auf, dass es hier nicht um medizinische Entscheidungen geht und mit dem technischen „Fortschritt“ komplexe gesellschaftliche Fragen einhergehen.
➤ Ilka aus der Mark (2020): Der Bluttest – Welches Kind soll leben?, Echtes Leben – Das Erste, 44 Min., online: www.ard.de oder www.kurzelinks.de/gid260-tal.
Taleo Stüwe ist Mediziner*in und Mitarbeiter*in des GeN.
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