Kurz notiert - Landwirtschaft und Lebensmittel

Agro-Gentechnik

Erster CRISPR-Weizen geplant

Der Bund Deutscher Pflanzenzüchter (BDP) hat im September gemeinsam mit einem Bündnis von knapp 60 Pflanzenzuchtunternehmen das Projekt PILTON vorgestellt. Unter ihnen ist auch der deutsche Konzern KWS Saat. Ziel des Projekts ist die Entwicklung einer Weizenlinie mit dem neuen Gentechnikverfahren CRISPR-Cas. Laut BDP soll der Weizen weniger empfindlich gegen Pilzbefall sein und dadurch zu einem geringeren Einsatz von Pestiziden führen. BDP-Vorsitzende Stephanie Franck gibt an, mit PILTON prüfen zu wollen, welchen Nutzen neue Gentechnikverfahren für eine ressourcenschonende und produktive Landwirtschaft haben. Dabei solle insbesondere das Potenzial zur Einsparung von Pestiziden evaluiert werden. Geschäftsführer des Verbandes Lebensmittel ohne Gentechnik (VLOG), Alexander Hissting, äußert sich skeptisch gegenüber PILTON. Wie gut der CRISPR-Weizen tatsächlich funktioniere und wie sicher seine Anwendung sei, bleibe abzuwarten. Zudem müsse das Produkt den Weg der EU-Gentechnik-Zulassung gehen und als Gentechnik gekennzeichnet werden. Nur so würden Transparenz und Wahlfreiheit gewährleistet, argumentiert Hissting. Das PILTON Projekt sei ein weiteres Argument dafür, die geltenden EU-Gentechnik-Regelungen beizubehalten. (PM BDP, 17.09.20, www.bdp-online.de; PM VLOG, 17.09.20, www.ohnegentechnik.org) (pv)

Erste kritische GVO-Datenbank

Die US-amerikanische Nichtregierungsorganisation „GMO Free USA“ hat die wissenschaftliche Datenbank namens GMOresearch.org ins Leben gerufen. Es ist die erste durchsuchbare Datenbank für Studien und Berichte über die Sicherheit und die Auswirkungen gentechnisch veränderter Organismen (GVO) und damit verbundenen Agrarchemikalien. Sie soll nach Aussage der Betreiberin eine Ressource und ein Forschungsinstrument für Wissenschaftler*innen, Forscher*innen, Mediziner*innen, Pädagog*innen und die breite Öffentlichkeit sein. GM Watch zufolge ist GMOresearch.org die weltweit umfangreichste Datenbank zu diesem Thema. Sie enthalte Referenzen aus der ganzen Welt und dokumentiert unter anderem Auswirkungen auf Gesundheit, Umwelt und Nicht-Zielorganismen. Außerdem würden Referenzen in Bezug auf Ernteerträge, soziale Auswirkungen, Ethik und Wirtschaft dokumentiert. Dabei seien 86% der Publikationen in der Datenbank peer-reviewed. GMO Free USA zufolge ist die Datenbank eine Antwort auf die Behauptungen der Biotech-Industrie, es gäbe keine wissenschaftlichen Beweise für Schäden durch GVO. (GMOre­search, o.D., www.gmoresearch.org; GM Watch, 22.10.20, www.gmwatch.org) (pv)

Erste CRISPR-Petunie aus Südkorea

Forscher*innen aus Südkorea haben mit Hilfe des neuen Gentechnikverfahrens CRISPR-Cas die Blütenfarbe einer Petunie verändert. Da der neuen CRISPR-Petunie keine fremde DNA eingefügt wurde, wird sie in vielen Ländern nicht als gentechnisch veränderter Organismus (GVO) eingestuft und kann ohne gründliche Risikoprüfung schnell vermarktet werden. Von diesem Umstand versprechen sich die Forscher*innen einen beschleunigten Übergang vom Labor auf das Feld. Die Schweizer Allianz Gentechnikfrei (SAG) kritisiert dies und verweist auf das Anbau- und Vermarktungsverbot gentechnisch veränderter (gv) Zierpflanzen in Europa. Der illegale Handel mit gv-Zierpflanzen habe schon 2017 in ganz Europa für Schlagzeilen gesorgt. Damals waren gv-Petunien mit orangenen Blüten in ganz Europa ohne Marktzulassung verkauft worden. Die Chancen stünden entsprechend hoch, dass sich diese Geschichte wiederholen könne. (SAG, 18.12.20, www.gentechfrei.ch; Plant Cell Reports, 21.09.20, doi: 10.1007/s00299-020-02593-1) (pv)

Nahrungs­mittel

Männliche Schweine mit weiblichen Geschlechtsorganen

Am Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) wurden gentechnisch veränderte (gv) Schweine erzeugt, die trotz eines männlichen Chromosomensatzes weibliche Geschlechtsorgane ausbilden. Dadurch soll verhindert werden, dass sich der bei ca. fünf Prozent der Eber auftretende ungewollte Eigengeruch bzw. -geschmack im Fleisch entwickelt. Mit Hilfe der Genschere CRISPR-Cas haben die Wissenschaftler*innen eines der geschlechts-bestimmenden Gene auf dem Y-Chromosom der männlichen Ferkelembryonen ausgeschaltet. In der Folge entwickelten sich Schweine, die äußerlich und innerlich kaum von weiblichen Tieren zu unterscheiden waren. Nach neun Monaten waren die inneren und äußeren (weiblichen) Genitalien bei den genetisch männlichen gv-Schweinen jedoch deutlich kleiner ausgebildet, zudem waren sie unfruchtbar. Laut FLI, das als Bundesoberbehörde des Ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft agiert, handelt es sich bei dem Projekt lediglich um Grundlagenforschung, eine unmittelbare Anwendung ist laut Europäischem Gentechnikgesetz aktuell nicht erlaubt. Momentan haben Tierproduzenten die Wahl zwischen einer Kastration unter Narkose und einer sog. Immunokastration, bei der die Hormonproduktion der Eber nach dem Wirkprinzip einer Impfung unterdrückt wird. Letztere wird von Tierschutzverbänden als geringstes Übel favorisiert. Bis vor kurzem war die betäubungslose Ferkelkastration gängige Praxis – diese ist zwar seit 2013 verboten, wurde durch Übergangsregelungen aber weiterhin durchgeführt. Sieben Jahre nach dem Verbotsbeschluss ist die betäubungslose Kastration von Ferkeln nun seit Anfang 2021 in Deutschland gänzlich verboten. Der Einsatz der Gentech-Methode zur weiteren Anpassung der Tiere an die intensive Massentierhaltung wird neben Tierrechtler*innen auch von vielen Umweltschützer*innen stark kritisiert. (PNAS, 22.12.20, doi: 10.1073/pnas.2008743118; GEO, 12.01.21, ww.geo.de) (mj)

Singapur: Verkauf von Laborfleisch erlaubt

Singapur genehmigt als erstes Land der Welt den Verkauf von Hähnchenfleisch aus dem Labor. Die Erlaubnis gilt für die „chicken bites“ des US-amerikanischen Start-Ups „Eat Just“. Dem Magazin F3 zufolge erklärte das Unternehmen, die Herstellung sei in mehr als 20 Produktionsläufen gründlich getestet und untersucht worden. Medienberichten zufolge handle es sich aber nicht um ein reines Fleischprodukt. Um die Kosten zu senken, seien die im Labor gezüchteten tierischen Zellen mit Pflanzenproteinen vermischt worden. Die hohen Produktionskosten von Laborfleisch waren in den vergangenen Jahren ein entscheidender Grund dafür, dass die Laborfleischprodukte noch nicht vermarktet wurden. Das Unternehmen kündigte an, die Kosten des Hühnchenfleischs aus dem Labor in den kommenden Jahren unter die des herkömmlichen Hühnchenfleischs zu senken. Neben den hohen Preisen wurde auch Kritik an der vermeintlichen Klimafreundlichkeit des Laborfleischs laut. Demnach sei kultiviertes Laborfleisch nicht zwingend klimatisch besser als beispielsweise Rinderfleisch. (F3, 03.12.20, www.f3.de; Frontiers, 19.02.19, doi: 10.3389/fsufs.2019.00005) (pv)

Zulassung von gv-Lachs verstößt gegen Umweltrecht

In den USA soll dieses Jahr der Verkauf von gentechnisch verändertem (gv) Lachs der Firma AquaBounty starten. Obwohl ein Bundesgericht in Kalifornien im November 2020 urteilte, dass die US-Lebensmittelbehörde FDA bei der Zulassung im Jahr 2015 gegen wesentliche Umweltgesetze verstoßen hat, will AquaBounty die erste gv-Lachs-Ernte ihrer US-Farm in diesem Jahr vermarkten. Ermöglicht wird dies durch den auf offene Gewässer beschränkten Geltungsbereich der neuerlich verschärften Umweltauflagen. Weil der „AquAdvantage-Lachs“ nicht in Aquakulturen im Ozean, sondern in großen Zuchtbecken im US-Bundesstaat Indiana im Landesinneren gezüchtet wird, greift das seit langem geforderte Urteil hier vorerst nicht. Die erfolgreiche Klage wurde direkt nach der Zulassung von einer Koalition aus Umweltschützer*innen und Fischer*innen eingereicht und verhindert jetzt zumindest den Verkauf von gv-Lachs-Eiern an Lachsfarmen, die ihre Tiere in Gehegen im Meer züchten. Im Gegensatz zu seinen wildlebenden Artgenossen wächst der sog. Turbo-Lachs u.a. durch das Einpflanzen eines Wachstumshormon-Gens vom Königslachs doppelt so schnell und das ganze Jahr über. Laut AquaBounty sind die Eier der gv-Lachse zwar alle weiblich und durch eine erhöhte Chromosomenzahl (Triploidie) steril. Im ungünstigsten Fall können gv-Lachse jedoch in Wildbestände einkreuzen, diese verdrängen und dadurch ganze Ökosysteme durcheinanderbringen oder schlimmstenfalls zerstören. In Kanada wird der gv-Lachs bis dato weltweit als einziges für den Verzehr zugelassenes gv-Tier seit 2017 verkauft. (Center for Food Safety, 05.11.20, www.centerforfoodsafety.org) (mj)

Risikodebatte

Zu wenig Geld für Risiko­forschung an CRISPR-Cas

Die Erforschung von Risiken und Nachweismethoden der neuen Gentechniken wie CRISPR-Cas in der Landwirtschaft wird von der Bundesregierung mit einer Summe von zwei Mio. Euro gefördert. Damit gibt sie nur einen kleinen Teil ihrer Forschungsförderung für diesen Bereich aus. Einer Anfrage des GRÜNEN-Bundestagsabgeordneten Harald Ebner an das Landwirtschaftsministerium zufolge stünden der Forschung an neuen Gentechnikverfahren ganze 27 Mio. Euro zur Verfügung, so die taz. Die GRÜNEN kritisieren die Verteilung der Forschungsförderung als zu einseitig und verlangen, dass die Bundesregierung mehr Geld investiert, um das Verbot von Pflanzen aus neuen Gentechniken durchzusetzen. Nur so könne die Wahlfreiheit von Landwirt*innen und Verbraucher*innen geschützt werden. Zudem müsse die Umsetzung des Gentechnikrechts sichergestellt werden. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner habe der taz mitgeteilt, dass sich zwischen Produktentwicklung und Sicherheitsforschung nicht uneingeschränkt unterscheiden ließe. Zudem würden Bund und Länder an der Entwicklung von Nachweismethoden arbeiten. Die deutschen Behörden akzeptieren derzeit kein Nachweisverfahren für Pflanzen aus neuer Gentechnik. Daher untersuchen sie Importe nicht auf diese in der EU verbotenen Pflanzen. (taz, 10.11.20, www.taz.de; Pressenza, 15.11.20, www.pressenza.com) (pv)

CRISPR verändert genregulierende Bereiche

Bei Untersuchungen von gentechnisch veränderten Mäusen wurden unbeabsichtigte Veränderungen in genregulierenden Bereichen festgestellt, die über mehrere Generationen hinweg weitervererbt wurden. Nach dem durch CRISPR-Cas vermittelten Einbau von DNA-Abschnitten in das Genom der Mäuse wurden diese ungewollten Veränderungen sowohl in den zusätzlichen als auch in benachbarten DNA-Abschnitten entdeckt. Dabei handelt es sich nicht direkt um Veränderungen in der DNA-Sequenz, sondern um ein verändertes Muster von kleinen Molekülen, die an die DNA-Bausteine angeheftet sind und beeinflussen, welche Gene in welchen Zellen abgelesen oder stillgelegt werden. Diese sog. epigenetischen Marker sind wichtige, über das gesamte Genom verteilte regulatorische Elemente, durch die z.B. die Anpassung von Organismen an veränderte Umwelteinflüsse ermöglicht oder die geordnete Entwicklung von Embryonen gewährleistet wird. Umweltorganisationen stehen diesen Ergebnissen kritisch gegenüber, da diese ungewollten Veränderungen zu Störungen in der Genregulation führen können. Problematisch könnten diese Effekte z.B. bei sog. Gene Drive Organismen werden, deren Wirkprinzip die Weitergabe von durch CRISPR-Cas eingefügten, zusätzlichen Erbinformationen an alle Nachkommen darstellt (vgl. „Gene Drives in die Warteschleife!“ S.23). Da die Mäuse diese epigenetischen Veränderungen noch bis in die zehnte Generation in sich trugen, wurde von den Autor*innen vorgeschlagen, diese zukünftig als Nachweis für einen durch CRISPR-Cas vermittelten DNA-Einbau ins Erbgut zu verwenden. (BMC Genomics, 02.12.20, doi: 10.1186/s12864-020-07233-2, Tesbiotech, 18.12.20, www.testbiotech.org) (mj)

Anbau & Pestizide

Pestizidvergiftungen steigen weltweit dramatisch an

Laut einer aktuellen wissenschaftlichen Studie ist die Anzahl der akuten Pestizidvergiftungen seit der letzten globalen Auswertung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Jahr 1990 von 25 Mio. auf inzwischen über 385 Mio. Fälle pro Jahr gestiegen. In der Studie wurden wissenschaftliche Publikationen und Datenbankeinträge der WHO zwischen 2006 und 2018 systematisch analysiert. Umgerechnet bedeutet dies, dass etwa 44 Prozent der in der Landwirtschaft tätigen Weltbevölkerung jedes Jahr mindestens eine Vergiftung erleidet. Das entspricht 860 Mio. Landwirt*innen und Landarbeiter*innen. Die meisten nicht-tödlichen Vergiftungen treten in Südasien auf, gefolgt von Südostasien und Ostafrika. So erleiden z.B. in Burkina Faso jährlich fast 84 Prozent der Bäuer*innen und Landarbeiter*innen unbeabsichtigte akute Pestizidvergiftungen. Jedes Jahr sterben weltweit ca. 11.000 Menschen daran, fast 6.500 davon allein in Indien. Viele Umweltverbände fordern daher ein schrittweises Verbot der schlimmsten, hochgefährlichen Pestizide. „Die aktuellen Zahlen verdeutlichen, wie sehr das Leid von Millionen von Menschen über Jahrzehnte massiv unterschätzt wurde“, sagt Susan Haffmans vom Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN Germany). Das Netzwerk fordert die Politik auf, sich stärker mit dem Thema zu befassen und zum Schutz von Mensch und Umwelt konsequent in nicht-chemische Pflanzenschutzverfahren zu investieren. (BMC Public Health, 07.12.20, doi: 10.1186/s12889-020-09939-0; Pestizid Aktions-Netzwerk, 09.12.20, www.pan-germany.org) (mj)

Schweiz: Gentechnik-Moratorium soll verlängert werden

Der Schweizer Bundesrat will das bis 2021 geltende Moratorium für den Anbau von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) um weitere vier Jahre verlängern. Während der Verlängerung sollen ungeklärte Fragen zur Koexistenz verschiedener Anbautypen und zur Regulierung der neuen Gentechnikverfahren (NGT) wie z.B. CRISPR-Cas geklärt werden. Diese NGT fallen in der Schweiz zwar seit 2018 ebenfalls unter das Gentechnikgesetz (GTG), der Nachweis dieser Techniken ist in vielen Produkten jedoch bisher oft nicht zu erbringen. Um die Wahlfreiheit der Konsument*innen für gentechnikfreie Erzeugnisse weiterhin zu gewährleisten, sollen in dieser Zeit entsprechende Nachweisverfahren erarbeitet werden. Einer – vom Verband Lebensmittel ohne Gentechnik (VLOG) 2020 veröffentlichte – ersten Nachweismethode für Produkte der NGT steht der Bundesrat inzwischen schon positiv gegenüber. Die Forschung und Entwicklung an NGT „verspreche ein Innovationspotential in verschiedenen Anwendungsbereichen wie beispielsweise der Landwirtschaft“ und wird vom Bundesrat unterstützt. Laut einer Befragung aus dem Jahr 2019 wird Gentechnik in der Lebensmittelproduktion von der Schweizer Bevölkerung jedoch mehrheitlich abgelehnt. Der Entwurf zur entsprechenden Änderung im GTG wurde im November 2020 vorgelegt. Bis 25. Februar 2021 haben Kantone, Verbände und politische Parteien nun Zeit, sich zu den Plänen der Regierung zu äußern, bevor der Gesetzesentwurf im Parlament zur Abstimmung vorgelegt wird. (Medienmitteilung Schweizer Bundesrat, 11.11.20, www.admin.ch) (Schweizer Allianz Gentechnikfrei, 03.12.20, www.gentechfrei.ch) (mj)

Agrarpolitik

GRÜNE weiter „Ohne Gentechnik“

In ihrem neuen Grundsatzprogramm sprechen sich die GRÜNEN für die geltende Regulierung von Gentechnik-Produkten mit einer Risikoprüfung vor einer Marktzulassung aus. Die von einigen Parteimitgliedern geforderte Deregulierung für neue Gentechnikverfahren wie CRISPR-Cas bekam laut Bauernstimme eine deutliche Abfuhr. Beschlossen wurde unter anderem, gentechnische Methoden bei Eingriffen in die Natur, beispielsweise zur Ausrottung ganzer Populationen, auszuschließen. Wie bei jeder Technologie müsse der politische Kompass zum Umgang mit alten wie neuen gentechnischen Verfahren sein, einerseits die Freiheit der Forschung zu gewährleisten und andererseits bei der Anwendung Gefahren für Mensch und Umwelt auszuschließen. Es gelte daher, an einem strengen Zulassungsverfahren und am europäisch verankerten Vorsorgeprinzip festzuhalten. Dem GRÜNEN Bundestagsabgeordneten Harald Ebner zufolge hat es keinen Paradigmenwechsel zur bisherigen Gentechnik-Positionen gegeben. Die GRÜNEN stünden weiterhin für Vorsorge und Technikfolgenabschätzung. (Bauernstimme, 23.11.20, www.bauernstimme.de; Harald Ebner, 24.11.20, www.harald-ebner.de) (pv)

Italien: Erfolg im Kampf gegen die Deregulierung von GVO

In Italien hat es Erfolge im Kampf gegen die Deregulierung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) gegeben. Wie die Europäische Koordination der Via Campesina (Eurovia) berichtet, wurde in Italien mit Erfolg gegen vier Dekrete zur Saatgutregulierung mobilisiert, die Feldversuche mit Pflanzen erlaubt hätten, die durch neue Gentechnikverfahren erzeugt wurden. Die Organisator*innen der Mobilisierung betonen laut Eurovia, dass auch die neuen Gentechniken in den Geltungsbereich der europäischen Gesetzgebung fallen und verweisen auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2018. Die Dekrete hätten katastrophale Folgen für die Landwirt*innen Italiens gehabt, da es die unumkehrbare Freisetzung der GVO erlaubt und damit das Recht der Bäuer*innen auf gentechnikfreies Saatgut gefährdet hätte. Dieses Recht wurde 2018 in einer Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der Bäuer*innen garantiert. Obwohl Italien seit 20 Jahren ein GVO-freies Land sei, hätte es in letzter Zeit unter starkem Druck des Privatsektors gestanden, sich zugunsten der neuen Gentechniken zu positionieren. (PM Eurovia, 20.01.21, www.eurovia.de) (pv)

Bald Deregulierung von Genome Editing in Großbritannien?

Anfang Januar eröffnete die Britische Regierung eine öffentliche Anhörungsphase, in der die Bevölkerung ihre Meinung zu einer möglichen Deregulierung von Genome Editing (GE) in Großbritannien äußern kann. In der dazugehörigen Pressemitteilung wirbt das britische Umweltministerium DEFRA für die Potenziale, die Genome Editing „zum Schutz der Umwelt, der Bestäuber und der Tierwelt“ schaffen soll. Laut Umweltminister George Eustice soll GE leistungsfähigere Pflanzen, geringere Kosten für Landwirt*innen und schnelle Anpassungen an den Klimawandel möglich machen. Dementsprechend wird die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2018 kritisiert, in der GE als gentechnisches Verfahren reguliert wird. Nach dem Vollzug des Brexits ist die Britische Regierung nicht mehr an das EuGH-Urteil gebunden und kann bzgl. GE nun eigene Regulierungen beschließen. In einem Briefing teilte das DEFRA mit, dass die Regierung nach Beendigung der Anhörungsphase nach Möglichkeiten suchen wird, die bisherige Definition von genetisch veränderten Organismen zu korrigieren. Die Umweltorganisationen Beyond GM und GM Freeze rufen zu einer regen Beteiligung an der Umfrage auf, um der einseitigen Regierungsagenda wirklich praktikable und zukunftsorientierte, alternative Ansichten entgegenzusetzen. (Beyond GM, 07.01.21, www.beyond-gm.org) (mj)

Import von weiteren acht gv-Pflanzen genehmigt

Entgegen einer Resolution des EU-Parlaments hat die EU-Kommission Ende Januar acht gentechnisch veränderten (gv) Pflanzen die Zulassung für den Import und zur Verwendung als Lebens- und Futtermittel erteilt. Es handelt sich dabei um gv-Mais und gv-Soja von Bayer (ehemals Monsanto) und Syngenta, die gegen Herbizide resistent sein sollen und gleichzeitig verschiedene Insektengifte produzieren. Fünf davon sind Neuzulassungen, bei drei handelt es sich um Verlängerungen. Das EU-Parlament hatte erst im Dezember 2020 mit einer deutlichen Mehrheit von ca. 70 Prozent die EU-Kommission dazu aufgefordert, die Importzulassungen zu verweigern. Da die Beschlüsse des EU-Parlaments für die EU-Kommission jedoch nicht bindend sind, hat diese inzwischen für mehr als 40 gv-Pflanzen eine Importzulassung für die EU erteilt. Die Organisation Testbiotech kritisiert diese erneuten Genehmigungen ebenfalls und weist auf generelle Mängel bei der Risikobewertung innerhalb des Zulassungsverfahrens hin. Wichtige Befunde und notwendige Untersuchungen werden von der Europäische Lebensmittelbehörde EFSA nicht berücksichtigt und es werden teilweise unrealistische Versuchsbedingungen angewandt. Tetsbiotech fordert daher einen sofortigen Zulassungsstopp und eine genaue Überprüfung der bisherigen Zulassungspraxis. (Informationsdienst Gentechnik, 17.12.20, www.keine-gentechnik.de, Testbiotech, 25.01.21, www.testbiotech.org) (mj)

Handelspolitik

EU-Parlament gegen Import von gv-Soja aus Entwaldungsgebieten

Die Abgeordneten des EU-Parlaments forderten die EU-Kommission im November 2020 auf, den Import gentechnisch manipulierter Sojabohnen zu verbieten. Die EU-Kommission hatte zuvor in einem Durchführungsbeschluss eine Einfuhrgenehmigung von gentechnisch veränderten (gv) Sojabohnen und dessen Erzeugnissen vorgesehen. Es handelt sich dabei um Sojabohnen der herbizidtoleranten gv-Sorte SYHT0H2 von Syngenta. Das EU-Parlament wirft der EU-Kommission vor, mit dem Durchführungsbeschluss ihre Befugnisse gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel zu übersteigen. Nach Ansicht des EU-Parlaments sollen neben der gv-Sorte SYHT0H2 auch keine anderen gv-Sojabohnen aus von Entwaldung betroffenen Gebieten in die EU importiert werden dürfen. Stattdessen solle die EU-Kommission ihren internationalen Verpflichtungen zum Klima- und Artenschutz nachkommen und Nachhaltigkeitskriterien für die Einfuhr von Produkten und für internationale Lieferketten erstellen. (Europäisches Parlament, 04.11.20, www.europaparl.europa.eu; Deutscher Naturschutzring, 19.11.20, www.dnr.de) (pv)

Saatgut: Bald Routinekontrolle bei Zuckermais?

Die Bundesländer erwägen in Zukunft auch Zuckermais routinemäßig auf Kontaminationen durch gentechnisch verändertes (gv) Saatgut zu kontrollieren. Das teilte das niedersächsische Umweltministerium dem Infodienst Gentechnik mit. In den vergangenen zwölf Monaten wurde demnach in 685 Proben nur eine gentechnische Verunreinigung entdeckt, der kontaminierte Zuckermais aus den USA sei den Kontrolleur*innen jedoch entgangen. Ein niedersächsischer Saatguthändler hatte den kontaminierten Zuckermais aus den USA importiert und in Deutschland und Europa verkauft. Die Verunreinigung war erst in Ungarn aufgefallen. Laut Empfehlung der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft Gentechnik (LAG) sollen mindestens zehn Prozent der Saatgutpartien der ermittelten Sorten geprüft werden. Die Zahl sei jedoch seit dem Höchstwert von 347 Proben im Jahr 2012 kontinuierlich gesunken, berichtet der Infodienst Gentechnik. Ökoverbände beobachten diese Entwicklung mit Sorge. Die IG Saatgut sowie Bioland und Greenpeace forderten die Bundesländer auf, ihre Saatgutkontrollen zu verstärken und gezielter auf Verunreinigungen mit neuer Gentechnik zu prüfen. (Infodienst Gentechnik, 08.11.20, www.keine-gentechnik.de; PM Bioland, 11.11.20, www.bioland.de) (pv)

Pharmakonzerne

Zum Tod von Monsanto-­Bezwinger Percy Schmeiser

Der kanadische Landwirt Percy Schmeiser, eine Ikone der Anti-Gentechnik-Bewegung, ist im Oktober 2020 im Alter von 89 Jahren gestorben. Gemeinsam mit seiner Frau Louise wurde Schmeiser zu einer Symbolfigur im Kampf unabhängiger Landwirt*innen um ihre Rechte. Er trat für strenge Regulierungen und Haftungspflichten für den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen ein. Für seinen Widerstand gegen den multinationalen Saatgutkonzern Monsanto (heute Bayer) hat er zahlreiche Preise erhalten, darunter der Alternative Nobelpreis. Schmeiser wurde Ende der 1990er Jahre von Monsanto wegen Patentrechtsverletzung verklagt, weil er dessen gentechnisch verändertes (gv) Rapssaatgut ohne Lizenz genutzt hätte. Die Schmeisers hatten den gv-Raps aber nie angebaut. Vermutlich waren die Pollen durch Wind oder Insekten eingetragen worden. Seine jahrelange Auseinandersetzung mit Monsanto war bis zum höchsten kanadischen Gerichtshof gegangen und erregte weltweites Aufsehen. Percy Schmeiser ist kein Einzelfall. Einem Bericht des Centre for Food Safety (CFS) zufolge hat Monsanto 2005 allein 147 Bäuer*innen wegen Patentverletzungen verklagt, viele davon aufgrund von Auskreuzungen patentierter Gen-Sequenzen. (Infodienst Gentechnik, 20.11.20, www.keine-gentechnik.de; Bauernstimme, 17.10.20, www.bauernstimme.de) (pv)

Agrargeschäft wird Problemfall

Das schwache Geschäft mit Saatgut und Pflanzenschutzmitteln hat beim Chemie- und Pharmakonzern Bayer im dritten Quartal 2020 zu deutlichen Verlusten geführt. Damit wird der schon in den vorigen Quartalen beobachtete Umsatzeinbruch erneut weitergeführt, worauf auch die Aktie mit einem weiteren Kursrückgang reagierte. Es hat sich gezeigt, dass die Geschäfte in der Agrarsparte aufgrund zurückhaltender Nachfrage v.a. beim Mais- und Sojaanbau in den USA weit unter den Erwartungen zurückblieben. Der durch die Übernahme von Monsanto erwartete Anstieg im Agrargeschäft blieb somit bisher aus. Für die außergerichtliche Einigung mit mehr als 80.000 Betroffenen, die aufgrund der krebserregenden Wirkung von Glyphosat geklagt hatten, wird Bayer eine Vergleichssumme von bis zu 10 Milliarden Euro bezahlen. Und auch in den kommenden Jahren wird von Unternehmensseite mit weiteren Zahlungen gerechnet. Trotz der rückläufigen Entwicklungen verteidigt Bayer-Chef Werner Baumann den Monsanto-Kauf aber als langfristig richtigen strategischen Schritt. Aufwind erwartet Bayer durch die Zulassung des Herbizids XtendiMax, eine neue Variante des inzwischen verbotenen Unkrautvernichters Dicamba, für das 2020 ebenfalls millionenschwere Vergleichszahlungen geleistet wurden. Die massiven Verluste will das Unternehmen nun mit steigenden Umsätzen im Pharmageschäft ausgleichen. (Handelsblatt, 03.11.20, www.handelsblatt.com) (mj)

GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
256
vom Februar 2021
Seite 19 - 22

GID-Redaktion

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