Rechte Fantasien

Eizelltransfer für die Reproduktion des Volkskörpers?

Die Regulation davon, wer sich fortpflanzen sollte und wer nicht, ist elementarer Bestandteil rechter Ideologien. Die dort propagierten Konzepte von Familie sind geprägt von Rassismus, Antisemitismus, Queer- und Behindertenfeindlichkeit. Wie aber hält es die (extreme) Rechte mit den aktuellen Debatten um reproduktive Selbstbestimmung?

Nahaufnahme von einem handgemalten Demo-Schild, auf dem steht: "Ehe, Küche, Vaterland - uns're Antwort: Widerstand". Das "W" in Widerstand brennt und strahlt Flammen nach oben aus.

Laut gegen reaktionäre Familienpolitik: Proteste gegen den "Marsch für das Leben" 2023 in Berlin. Foto: © Kinkalitzken

Die sogenannte neue Rechte ist gemeinhin eher für ein rückwärtsgewandtes Familienbild bekannt und positioniert sich größtenteils kritisch gegenüber Methoden der assistierten Reproduktion. Umso verwunderlicher erschien vielen der Vorstoß von Erik Ahrens, eines AfD-nahen Aktivisten der extrem rechten identitären Bewegung, der im Juni 2023 auf der Plattform X (ehemals Twitter) forderte, dass „junge Frauen gemustert und bei Eignung zur Abgabe von Eizellen verpflichtet werden, um die Demografie zu stabilisieren“, analog zur Wehrpflicht für Männer. Dies sei mit der Forderung „Mein Körper gehört mir“ vereinbar – „Denn die Person, der dieser Körper gehört, gehört wiederum einem Staat an. Als Teil dieses Gemeinwesens hat sie die Pflicht, ihm mit seinem Eigentum zu dienen – dies umfasst auch den Leib, etwa im Kriegsfall“.1  Erik Ahrens hat auf X über 8.000 Follower und ist unter anderem für den AfD-Politiker Maximilian Krah tätig gewesen und hat dessen TikTok-Videos mitverantwortet. Die AfD-Bundestagsfraktion hat auf der Plattform doppelt so viele Abonnent*innen wie alle anderen im Bundestag vertretenen Parteien zusammen und erreicht mit ihren Posts im Durchschnitt 430.000 Accounts – die Social-Media-Strategien von Ahrens sollen für diesen Erfolg mitverantwortlich sein.2  Er versteht sich als Teil des sogenannten Vorfelds, einem Netzwerk aus Junge Alternative, Identitäre Bewegung und anderen extrem rechten (Online-)AkteurInnen3 , die noch radikaler auftreten können als die AfD selbst, aber maßgeblich zu Mobilisierung und Erfolg der Partei beitragen. Ein Blick auf Ahrens Social-Media-Aktivitäten ist daher durchaus aufschlussreich – er erfüllt eine Scharnierfunktion zwischen dem offiziellen Auftreten der Partei und Personen und Gruppierungen, denen die Politik der AfD noch zu gemäßigt erscheint.

Neue Technologien – altbekannte rechte Narrative

Auch wenn die positive Bezugnahme auf Reproduktionstechnologien zunächst im Widerspruch zu rechten Familienpolitiken zu stehen scheint, stecken darin gleich mehrere Bezüge auf bekannte rechte Diskurse: Erstens verweist sie auf das heteronormative und hierarchische Geschlechterbild – in diesem gibt es nur zwei Geschlechter, die als biologische Tatsache betrachtet werden. Ihr Verhältnis wird als „natürlich“ verstanden, wobei die Frau sich dem Mann unterzuordnen habe. Ihre Rolle ist dabei eng geknüpft an ihre Funktion in der heterosexuellen Kleinfamilie, Maßnahmen zur Stärkung von Frauen in der Arbeitswelt und die Förderung von Gleichberechtigung werden als Gefahr für dieses Ideal betrachtet. So heißt es beispielsweise im Grundsatzprogramm der AfD: „Die Wirtschaft will Frauen als Arbeitskraft. Ein falsch verstandener Feminismus schätzt einseitig Frauen im Erwerbsleben, nicht aber Frauen, die ,nur´ Mutter und Hausfrau sind.“ Und: „[e]s sollte wieder erstrebenswert sein, eine Ehe einzugehen, Kinder zu erziehen und möglichst viel Zeit mit diesen zu verbringen. Die AfD möchte eine gesellschaftliche Wertediskussion zur Stärkung der Elternrolle und gegen die vom „Gender-Mainstreaming” propagierte Stigmatisierung traditioneller Geschlechterrollen anstoßen. Kinder sind kein karrierehemmender Ballast, sondern unsere Zukunft.“4
Die demografische Krise, die Ahrens in seinem Post in Stellung bringt, ist für ihn auch Ausdruck einer Erosion tradierter Geschlechterverhältnisse. Sinkende Geburtenraten sieht Ahrens auch durch den Verlust eines klassischen Männlichkeitsideals begründet, denn „[d]ass Frauen keine Kinder kriegen wollen, kann man nicht mit staatlichen Programmen ändern. Schon die Römerinnen ließen sich von Augustus Familiengesetzen nicht umstimmen. Die Biologie diktiert, dass Frauen immer nur mit mächtigen Männern Kinder wollen.“, „[w]enn 10.000 junge deutsche Männer diese Prinzipien verinnerlichen und gemeinsam in einem Bund verwirklichen, wird unser Volk eine Zukunft haben. Die Veränderung beginnt im Innern.”5  

Das Phantasma einer demographischen Bedrohung

Eine Pflicht zur Eizellabgabe, „um die Demografie“ zu stabilisieren, diese Forderung konstruiert, gekoppelt mit dem Vergleich zum „Kriegsfall“, einerseits eine Bedrohung, andererseits lässt sich dahinter auch die Mobilisierung zu einer Art Kampf ausmachen. „Befürchtet wird das Aussterben des deutschen Volkes – verstanden als biologische Abstammungsgemeinschaft – durch sinkende Geburtenraten, Schwangerschaftsabbrüche und Zuwanderung. Dies ist Teil der Untergangs-, Degenerations- und Verfallsszenarien, die die extreme Rechte seit jeher umtreiben.“6  Diese Verknüpfung von sinkenden Geburtenraten mit der Ablehnung von Schwangerschaftsabbrüchen, Feminismus und seinen Errungenschaften als Feindbild sowie Rassismus und Hetze gegen Zugewanderte findet sich auch ganz unverblümt im Parteiprogramm der AfD. Den „demografischen Fehlentwicklungen“ müsse entgegengewirkt werden, die „Masseneinwanderung“ sei dafür kein probates Mittel. Sowohl das AfD-Programm als auch Ahrens nutzen nicht explizit den extrem rechten Kampfbegriff des Volkstods. Dass ihr Nationenverständnis dennoch völkisch geprägt ist, wird trotzdem deutlich. So schreibt Ahrens auf Twitter: „Wir wollen eine offensive Besetzung des ethnischen Volksbegriffs, wir wollen einen unerbittlichen Willen zur Remigration und ein starkes Bekenntnis zur deutschen nationalen Identität“. Der Begriff der „Remigration“ erlangte im letzten Winter größere Bekanntheit, als das Medienkollektiv Correctiv seine Recherche zum Potsdamer Geheimtreffen von AfD-Mitgliedern, VertreterInnen der Identitären Bewegung und Wirtschaftsgrößen veröffentlichte, bei dem unter anderem der österreichische IB-Chef Martin Sellner seinen Plan zur erzwungenen Rückumsiedelung von Menschen mit Migrationshintergrund präsentierte – auch solchen mit deutschem Pass.7  Auch Ahrens war bei dem Potsdamer Treffen anwesend, er hielt dort einen Vortrag über das Potenzial rechter Social-Media-Strategien.

Verknüpfung antifeministischer und rassistischer Narrative

Im Grundsatzprogramm der AfD finden sich gleich mehrere Passagen, die einen Zusammenhang zwischen feministischen Errungenschaften wie dem Schwangerschaftsabbruch, der Geburtenentwicklung in Deutschland und einer angeblich als Antwort auf einen Bevölkerungsrückgang forcierten Migration herstellen. Besonders deutlich wird das an ihrem Slogan „Willkommenskultur für Neu- und Ungeborene“. Hier wird das Narrativ der, vor allem im Zusammenhang mit einer erhöhten Aufnahme von Geflüchteten um das Jahr 2015 herum, vielfach propagierten Willkommenskultur (die in der Realität einer steigenden Zahl von Angriffen auf Geflüchtetenunterkünfte und medialer Hetze gegenüber stand) in Stellung gebracht, um Forderungen nach einem vollständigen Verbot des Schwangerschaftsabbruchs laut zu machen. Der Tenor: Feminist*innen hätten den Geburtenrückgang zu verantworten, nun wollten Linke diese Lücke mit einer angeblich fatalen Masseneinwanderung füllen. Radikale Abtreibungsgegner*innen wie der mehrfach wegen Volksverhetzung angeklagte Betreiber der Website babycaust.de, Klaus Günther Annen, formulieren aus, was im Programm der AfD nur impliziert wird: „Zuerst sorgten Linke für die Auflösung familiärer Strukturen und die völlige Legalisierung der Abtreibung, um später den dadurch entstandenen Bevölkerungsschwund als das Argument für eine Masseneinwanderung zu instrumentalisieren. Millionen Abtreibungen stehen Millionen Immigranten gegenüber. Das kann kaum Zufall sein...“.8  Besonders antimuslimischer Rassismus spielt in den Veröffentlichungen der AfD eine große Rolle, die Geburtenrate unter Migrant*innen sei höher als unter „deutschstämmigen Frauen“, dies verstärke einen „ethnisch-kulturellen Wandel der Bevölkerungsstruktur“. Es geht bei der vermeintlichen demografischen Krise also nicht darum, dass zu wenig Kinder geboren werden, sondern dass angeblich die falschen diese Kinder bekommen. Unter Verweis auf ein vermeintlich „niedriges Bildungs- und Beschäftigungsniveau“ vor allem muslimischer Migrant*innen wird Einwanderung als wirtschaftsschädigend dargestellt. Ahrens hingegen geht noch einen Schritt weiter. Er behauptet auf X, es gäbe Länder, in denen der Durchschnitts-IQ per se niedriger sei, als in Deutschland: „Es ist nicht egal, wer welchen IQ hat. Migration aus Ländern mit niedrigem Durchschnitts-IQ führt dazu, dass das Bildungsniveau abstürzt, die Kriminalität steigt & die Sozialausgaben steigen. Die IQ-Verteilung ist ein unwiderlegbares Argument gegen Einwanderung aus der 3. Welt“.

Zur Eizellabgabe geeignet?

Wer also laut Erik Ahrens zur Abgabe von Eizellen „geeignet“ ist, dürfte eng begrenzt sein. Weiß, deutsch, ohne Migrationshintergrund, Behinderung oder Vorerkrankungen. Wie andere VertreterInnen der Identitären Bewegung propagiert Ahrens den sogenannten Ethnopluralismus – er geht also davon aus, dass es klar von einander abgrenzbare Ethnien gäbe, die jeweils in dem ihnen angeblich angestammten Gebiet leben sollten. Für seine Obsession mit der Idee einer reinen Abstammung bringt Ahrens durchaus auch Gentests ins Spiel, diese sollen den Beweis liefern: „Ancestry, myHeritage, 23&me – In den USA haben bereits fast 1/5 ihre ethnische Abstammung mittels eines Gentests festgestellt, und es werden immer mehr. Der Trend wird eines Tages in Deutschland einschlagen und jeder wird seine Abstammung in Erfahrung bringen.“ 

Ahrens sagt auch über sich selbst, er beschäftige sich mit „Biopolitik und Genetik“9 , seine Überlegungen teilte er unter anderem bei einem Vortrag für das neurechte Institut für Staatspolitik sowie in der rechten Zeitschrift Sezession. Auf X tritt er Kritik an eugenischem Denken mit einer ziemlich abenteuerlichen Argumentation entgegen: „Weil ich immer wieder höre, Beschäftigung mit Genetik von rechts sei Eugenik und darum böse. Was auch Eugenik ist: Verbot von Inzest, um erbliche Defekte (verursacht durch doppelte rezessive Gene) zu vermeiden. Die BRD hat also bereits heute Eugenik-Gesetze.“ Das Inzest-Motiv taucht in rechten Diskursen immer wieder auf und fungiert häufig als Bindeglied zwischen rassistischen und behindertenfeindlichen Narrativen. Diese Verlinkung zeigte sich gänzlich unverblümt auch in einer kleinen Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion aus dem Jahr 2018.10  Die Abgeordneten wollten wissen, wie sich die Anzahl der Personen mit Schwerbehindertenstatus unter Kindern und Jugendlichen zwischen 2012 und 2017 entwickelt habe, wie viele dieser Behinderungen durch „Heirat innerhalb der Familie“ entstanden seien und wie groß der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund unter diesen sei. Die AfD stellte mit ihrer Anfrage nicht nur Behinderung als vermeidbares und vermeidungswürdiges Übel dar, sondern suggerierte auch eine Verbindung zur Zuwanderung, indem Migrant*innen in rassistischer Manier inzestuöse und schädliche Sexualpraktiken unterstellt wurden. 

Rechtes Kernthema: Regulierung von Reproduktion

Dass das Thema Reproduktion und mit ihm auch „Familienpolitik“ für rechte AkteurInnen eine wichtige Rolle spielt, ist kein Zufall – die Familie ist „die Institution, die am Kreuzungspunkt zwischen den Kategorien Geschlecht, Sexualität, Rasse und Nation verortet ist. Über Heirat und Geburt ist die Staatsbürgerschaft zu erlangen oder zu verlieren und die Familie ist der Ort, über den die Reinhaltung der Rasse reguliert wird.“11  Deswegen sind antifeministische Narrative auch so anknüpfungsfähig – sie können mühelos mit anderen rechten Topoi verknüpft werden. Wie rechte AkteurInnen sich in Zukunft zu Entwicklungen im Bereich Reproduktionstechnologien äußern werden, bleibt abzuwarten. Die Debatte darum, wem diese zur Verfügung stehen sollten und wem nicht, werden aber mit Sicherheit Teil davon sein. Im Programm der AfD für die diesjährige Europawahl wurde sich für die Beibehaltung des Verbots der Leihschwangerschaft ausgesprochen – und für die Beibehaltung des „klassischen Leitbild[s] der Familie, in der Vater und Mutter in dauerhafter gemeinsamer Verantwortung für ihre Kinder sorgen“.12  Zum Eizelltransfer hingegen findet sich nichts – ein Zeichen dafür, dass auch rechte AkteurInnen sich hier in Ambivalenzen bewegen: Sie wollen einerseits die Gründung queerer Familien verhindern und sehen andererseits in diesen Technologien eine Chance, der von ihnen herbei fantasierten Bevölkerungskrise zu begegnen – mit den Eizellen geeigneter Kandidatinnen, versteht sich.

  • 1Mielke, L. (2024): AfD-naher Aktivist in der Kritik. „Frauen zur Abgabe von Eizellen verpflichten“. t-online, www.kurzlinks.de/gid270-ld.
  • 2Von Boeselager, M. (2024): Digitale Propaganda: „Sie sitzen hier mit jemandem auf der Ebene von Steve Bannon“. In: Der Spiegel 24/2024. Online: www.kurzelinks.de/gid270-le.
  • 3Extrem rechte Ideologien kennen nur zwei Geschlechter – um hier keine Vielfalt einzuschreiben, wo diese nicht existiert, wird hier bewusst mit Binnen-I gegendert.
  • 4AfD (2016): Programm für Deutschland. Online: www.kurzlinks.de/gid270-lf.
  • 5Alle nicht anderweitig gekennzeichneten Zitate sind Posts von Erik Ahrens auf der Plattform X entnommen. Screenshots der Beiträge liegen der Redaktion vor.
  • 6Botsch, G./Kopke, C. (2018): Der „Volkstod“. Zur Kontinuität einer extrem rechten Paranoia. In: Lang, J./Peters, U. (2018): Antifeminismus in Bewegung. Aktuelle Debatten um Geschlecht und sexuelle Vielfalt. Marta Press, Hamburg.
  • 7Correctiv.org (10.01.2024): Geheimplan gegen Deutschland. Online: www.kurzlinks.de/gid270-lg.
  • 8zitiert nach: Feministisch-antifaschistischer Arbeitskreis Berlin (2017): Antifeministische Verschwörungsideologien. In: AIB, AIB 114, 1.2017, online: www.kurzlinks.de/gid270-lh.
  • 9Malburg, M. (07.03.2024): In der TikTok-Arena. In: Jüdische Allgemeine, online: www.kurzlinks.de/gid270-li.
  • 10Bundestag: Drucksache 19/1444. Online: www.bundestag.de.
  • 11Lorey, I. (2009): Der weiße Körper als feministischer Fetisch. Konsequenzen aus der Ausblendung des deutschen Kolonialismus. In: Hrzán, D. et al. (Hrsg.): Weiß – Weißsein – Whiteness. Kritische Studien zu Gender und Rassismus. Peter Lang, Frankfurt a.M., S.61-83.
  • 12AfD (2024): Europawahlprogramm 2024. Online: www.kurzlinks.de/gid270-lj. [Letzter Zugriff Onlinequellen: 22.07.2024]
GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
270
vom August 2024
Seite 17 - 19

Anna Beckmann ist Literaturwissenschaftlerin. Sie promovierte zu politischen Comics und hat unter anderem am Podcast „Kritik. Protest. Veränderung“ über den sogenannten Neukölln-Komplex mitgewirkt.

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