USA: Praenatale Marktlogik

Eine Studie des Council for Responsible Genetics

In den USA ist ein erstes Verfahren der „nicht-invasiven genetischen Pränataldiagnostik“, wie der neue Bluttest im Fachjargon heißt, schon auf dem Markt. Im Vorfeld hat die Nichtregierungsorganisation Council for Responsible Genetics eine Studie veröffentlicht, die auf verschiedene Problemfelder hinweist.

Ausgehend von einer einfachen Blutprobe können im ersten Schwangerschaftstrimester genetische Besonderheiten des Embryos, dessen DNA im Blut der Schwangeren zu finden ist, analysiert werden.1 Momentan (April 2012) sind dies das Geschlecht des Embryos, chromosomale Aneuploidien (Trisomie der Chromosome 21, 18 und 13) sowie der Rhesusfaktor-Status des Embryos. Weitere, schon existierende Anwendungen der Sequenzierung embryonaler DNA im Blut der Schwangeren sind ein Geschlechtstest und eine Vaterschaftsanalyse, die bereits im ersten Schwangerschaftstrimester eine positiv/negativ Identifizierung von Vaterschaft erlaubt (siehe Kurznachricht S. 33). Die wahrscheinlich größte Nachfrage wird der Trisomie 21-Test erfahren: Inzwischen bietet die kalifornische Firma Sequenome ihren MaterniT21 plus-Test an, der gleichzeitig Trisomie 21 (Down-Syndrom), Trisomie 18 (Edwards-Syndrom) und Trisomie 13 (Pätau-Syndrom) erfasst.2 Der Preis für den MaterniT21-Test lag Ende 2011 noch bei 1.900 Dollar, Patienten mit einer privaten Krankenversicherung zahlten 235 Dollar Eigenanteil. In Europa hat die deutsche Firma LifeCodexx die Lizenz für die Vermarktung des Testes. Wirtschaftsanalytiker erwarten, dass der Preis für den Test noch 2012 unter 1.000 Dollar im freien Verkauf fallen wird. Ein wichtiger Aspekt, der in der Studie des Council for Responsible Genetics (CRG) betont wird, ist die potentielle Vermarktung der „Non-Invasive Prenatal Genetic Diagnosis“ (kurz NIPD) als direct-to-consumer (DTC) Produkte. Anders als in Deutschland können solche Tests in den USA auch ohne ärztliche Mitwirkung direkt an Privatleute verkauft werden. Im Moment ist dies zum Beispiel schon für die Geschlechtsbestimmung per NIPD der Fall. Obwohl die notwendige Blutentnahme es wahrscheinlich macht, dass ein solcher Test in Abstimmung mit einem Arzt erfolgt, ist in den USA nicht geregelt, welche Kompetenzen zur genetischen Beratung ein solcher Arzt haben muss. Die US-amerikanische Arzneimittelzulassungsbehörde FDA (Food and Drug Administration) nimmt bislang eine ambivalente Haltung zu DTC-Tests ein. Sie mahnt Firmen ab, die medizinisch relevante Versprechungen in der Werbung zu ihren DTC-Gentests machen. Andererseits hat die FDA bisher nicht durchgesetzt, dass die diagnostische Relevanz der DTC-Tests von den Firmen nachgewiesen wird. Bei den NIPD-Tests, die eine hohe Rendite versprechen und die durchweg von der Privatwirtschaft entwickelt werden, ist der Nachweis der diagnostischen „Wirksamkeit“ nicht das vordringlichste Interesse der Firmen. Es geht um die möglichst schnelle Vermarktung. Allein schon deshalb wäre eine staatliche Vorgabe, die die Validierung der Tests einfordert, ein sinnvoller Schritt, so das CRG. Ein weiterer Aspekt ist die „medizinische Betreuung“ von Schwangerschaften aus der Perspektive der Krankenversicherungen. Offensichtlich übernehmen private Krankenversicherungen derzeit etwa 80 Prozent der Kosten der neuen NIPD-Tests auf Aneuploidien wie Trisomie 21. Die für die Krankenversicherungen sonst wichtige Frage, ob der Test „medizinisch notwendig“ ist, stellt sich für sie hier nicht. Denn ökonomische Erwägungen schieben sich hier eindeutig in den Vordergrund - sowohl für die Krankenversicherung, als auch für die Frau oder das Paar. Nach einem positiven Testergebnis, einer Down-Syndrom-Diagnose, werden momentan in den westlichen Ländern über 90 Prozent aller Schwangerschaften abgebrochen. Zurzeit übernehmen private Krankenversicherungen die medizinische Versorgung für Kinder mit Down-Syndrom in manchen Fällen nur für einige Jahre, manchmal aber auch gar nicht. Während technisch die Selektionsmöglichkeiten zunehmen, gibt es in Bezug auf die finanzielle Unterstützung allerdings einen - schwachen - Hoffnungsschimmer: Die Reform des Gesundheitssystems in den USA.

  • 1Siehe dazu Eva Sänger „Bluttest kurz vor der Einführung“ auf Seite 8 in diesem Heft sowie Uwe Wendling „Mit wem wollen wir leben“, GID 205, S. 38-39.
  • 2Genetics in Medicine (2012); 14,3, S. 296-305.
GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
211
vom Mai 2012
Seite 17

Uwe Wendling ist Mitarbeiter des Gen-ethischen Netzwerk.

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