Glyphosat: Risiko für lebenswichtige Mikroorganismen
Aktuelle Publikation beschreibt gefährliche Wirkung von Glyphosat auf Mikrobiom
Menschen, Tiere und Pflanzen werden von einer Vielzahl von Mikroorganismen besiedelt. Sie bilden das sogenannte Mikrobiom, welches für unser Überleben unverzichtbar ist. Eine aktuelle Publikation zeigt nun, dass Glyphosat dieses Mikrobiom empfindlich verändern kann.
Durch das Herbizid Glyphosat können Schäden am Mikrobiom von Menschen, Tieren und Pflanzen entstehen. Foto: gemeinfrei auf pixabay.com
Das Herbizid Glyphosat ist durch Pestizidprodukte wie „Roundup“ bekannt geworden und wird auch in Deutschland bis heute zur Bekämpfung von Beikräutern eingesetzt. Obwohl seine Nutzung seit Jahren umstritten ist, erhielt das Herbizid 2017 von der EU eine Zulassung für fünf weitere Jahre. Diese Zulassung läuft am 15. Dezember 2022 ab, über eine Wiedergenehmigung wird noch dieses Jahr entschieden. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) stuft den Wirkstoff als sicher für Mensch und Tier ein. Doch sowohl die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) als auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stellten fest, dass Glyphosat bei Versuchstieren Krebs verursacht und wahrscheinlich auch bei Menschen krebserregend wirkt. Seither wurden viele weitere wissenschaftliche Untersuchungen zu den Auswirkungen von Glyphosat auf die Gesundheit von Tieren und Menschen durchgeführt. Unter anderem auch wegen der Frage, ob Glyphosat erneut zugelassen werden sollte oder nicht, beschäftigt sich unser hier zusammengefasster Übersichtsartikel1 mit den Risiken, die von Glyphosat ausgehen, indem sie auf das sogenannte Mikrobiom wirken.
Lebenswichtige Mikroorganismen
Das Mikrobiom beschreibt die Vielzahl von Mikroorganismen, die Menschen, Tiere und Pflanzen besiedeln und die für deren Überleben unverzichtbar sind. Sie bestehen aus Bakterien, Pilzen und allen Arten von mikroskopisch kleinen Tieren. Der Boden, Pflanzenwurzeln oder auch der menschliche Darm haben alle charakteristische Mikrobiome. Die Zusammensetzung dieser Mikroorganismen hat sich im Laufe der Jahrhunderte evolutionär entwickelt, um eine optimale Zusammenarbeit zwischen dem Mikrobiom und dem Wirt (z.B. dem Menschen) zu erreichen. So erbt der Mensch ca. 22.000 Gene von seinen Eltern aber mehr als 8 Mio. Gene von Mikroorganismen, die ebenfalls an die nächste Generation weitergegeben werden.2 Ohne diese Mikroorganismen könnte kein Mensch existieren. Dasselbe gilt für Tiere und Pflanzen.
Mikrobiom bestimmt Widerstandsfähigkeit und Entwicklung
Glyphosat kann auf indirekte Weise Gesundheitsprobleme für Menschen, Tiere und Pflanzen verursachen, indem es auf ihre Mikrobiome einwirkt und sie so empfindlich verändern kann. Denn die auf ihren Wirt spezialisierten Mikrobiome bestimmen weitgehend die Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten und die normale Entwicklung. Eine falsche Zusammensetzung des Mikrobioms führt zu dem immer mehr anerkannten Krankheitsbild der Dysbiose, einem Ungleichgewicht der Mikroorganismen in der Darmflora.3 Das Mikrobiom eines jeden Menschen hängt neben der Vererbung auch von der Ernährung, ggf. Drogenkonsum und der Exposition gegenüber Schadstoffen ab. Da Glyphosat nicht nur als Herbizid, sondern auch als Antibiotikum patentiert ist, müssen die Auswirkungen auf das Mikrobiom bei einer Risikoanalyse unbedingt mitbedacht werden.
Glyphosat auch in kleinen Mengen schädlich
Die maximal zulässigen Rückstände von Glyphosat in Boden, Wasser und allen Arten von Lebens- und Futtermitteln werden regelmäßig erhöht, da die gemessenen Konzentrationen aufgrund der Anreicherung von Glyphosat in der Umwelt nicht mehr den Standards entsprechen können. Besonders hoch sind die Konzentrationen in Futtermitteln. Glyphosat wird zwar größtenteils ausgeschieden aber auch über die Zerlegung im Darm in den Blutkreislauf der Tiere aufgenommen und reichert sich in inneren Organen und Knochen an. Menschen kommen mit Glyphosat durch Nebenprodukte geschlachteter Tiere oder durch mit Glyphosat behandelte Pflanzenprodukte in Kontakt.
Bis vor Kurzem erschienen die Auswirkungen relativ geringer Rückstandskonzentrationen auf Mikrobiome im Boden, auf und in Pflanzen und in Tieren in der wissenschaftlichen Literatur nicht eindeutig. Einige Forscher*innen fanden „keine Wirkung“, während andere eindeutig negative Auswirkungen auf bestimmte Mikroorganismen fanden. Bei genauer Betrachtung sieht man, dass die Ergebnisse der Studien davon abhängen, wie umfangreich DNA-Daten analysiert werden. Nur in ausreichend detaillierten Studien werden Effekte sichtbar.
Zulässige Rückstandskonzentration senken
Viele krankheitserregende Bakterien widerstehen höheren Konzentrationen von Glyphosat. Gutartige oder gar nützliche Bakterien hingegen reagieren auf sehr geringe Konzentrationen des Herbizids. Die natürliche Zusammensetzung des Mikrobioms wird durch Kontakt mit Glyphosat in einer Konzentration von ca. 0,5-50 mg/ml verändert, was genau den Konzentrationen entspricht, die auf die Blattoberflächen von Pflanzen ausgebracht werden. Jüngste DNA-Forschungen haben gezeigt, dass bis zu 26 Prozent der Bakterien im menschlichen Darm empfindlich auf Glyphosat reagieren. Es kann also zu einer Verschiebung des Mikrobioms kommen. Die tolerierbaren Rückstände in der Ernährung von Mensch und Tier sollten daher gesenkt werden, um eine Schädigung des Mikrobioms und damit des Wirts zu verhindern oder zumindest zu minimieren.
Gentechnisch veränderte Pflanzen
Ein von uns nicht weiter behandelter Aspekt ist die Frage, in wieweit die Auswirkungen auf das Mikrobiom bei gentechnisch veränderten (gv) Pflanzen eine Rolle spielen. Einerseits sind die Glyphosatrückstände per se in gentechnisch veränderten Organismen (GMO) höher. Andererseits zeigen glyphosatresistente Pflanzen oft eine erhebliche Erhöhung der Krankheitsanfälligkeit.4 Ein Grund könnte sein, dass in gv-Pflanzen, die Glyphosat nicht in der Pflanze abbauen („first-generation GMOs“) sondern durch die Wurzeln ausscheiden, wichtige Biokontrollorganismen im Wurzelbereich gehemmt werden. „Second-generation GMOs“ jedoch bauen Glyphosat zum ebenfalls giftigen AMPA um, das dann ausgeschieden wird. Das Herbizid kann aber weiterhin in der Pflanze auf das Mikrobiom wirken. Ob dies die Pflanzengesundheit beeinträchtigt ist unseres Wissens nach bisher nicht erforscht.
Risikofaktor Glyphosat
Denkt man die Frage nach dem Mikrobiom von gesunden Pflanzen weiter, muss man annehmen, dass dieses nicht nur Auswirkungen auf die Pflanzengesundheit, sondern auch auf Pflanzenfresser und Verbraucher*innen haben kann.5 Es sollten daher nicht nur die Auswirkungen von Glyphosat in den Fokus genommen werden, sondern auch viele andere Herbizide, die ebenfalls antibiotische Eigenschaften haben. Dasselbe gilt auch für andere Mikrobizide6, die auf das Mikrobiom wirken. All diese Faktoren sollten ernsthaft in Betracht gezogen werden, bevor über eine Wiederzulassung von Glyphosat entschieden wird.
- 1Van Bruggen, A.H.C./Finckh, M.R./He, M. et al. (2021): Indirect Effects of the Herbicide Glyphosate on Plant, Animal and Human Health Through its Effects on Microbial Communities. In: Frontiers in Environmental Science 9. Vortrag über die Inhalte des Artikels auf YouTube: www.kurzelinks.de/gid260-pa [letzter Zugriff: 11.02.2022].
- 2Sariola, S./Gilbert, S.F. (2020): Toward a Symbiotic Perspective on Public Health: Recognizing the Ambivalence of Microbes in the Anthropocene. In: Microorganisms 8, S.746.
- 3Barnett, J.A./Gibson, D.L. (2020): Separating the Empirical Wheat From the Pseudoscientific Chaff: A Critical Review of the Literature Surrounding Glyphosate, Dysbiosis and Wheat-Sensitivity. Frontiers in Microbiology 11, S.2269.
- 4Van Bruggen, A.H.C./He, M.M./Shin, K./et al. (2018): Environmental and health effects of the herbicide glyphosate. In: Science of The Total Environment, 616-617, S.255-268.
- 5Van Bruggen, A.H.C./Goss, E.M./Havelaar, A./et al. (2019): One Health – Cycling of diverse microbial communities as a connecting force for soil, plant, animal, human and ecosystem health. In: Science of the Total Environment 664, S.927-937.
- 6Mikrobizide sind chemische Stoffe/Mischungen, die Mikroben abtöten.
Ariena H.C. van Bruggen ist Professorin Emeritus für Phytopathologie an der University of Florida.
Maria R. Finckh ist Professorin für ökologischen Pflanzenschutz in der Landwirtschaft an der Universität Kassel.
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