Hält die Ampel die Gentechnik vom Acker?

Was bedeutet der neue Koalitionsvertrag für die Landwirtschafts- und Gentechnikpolitik?

Erstmals regiert in Deutschland eine sogenannte Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP. Für die kommenden vier Jahre wird sie die Politik bestimmen. Was bedeutet ihr neuer Koalitionsvertrag für die Landwirtschafts- und Gentechnikpolitik?

Schild auf Wiese

Was der neue Koalitionsvertrag für die Landwirtschafts- und Gentechnikpolitik bedeutet bleibt abzuwarten. Foto: gemeinfrei auf pixabay.com

In den nächsten vier Jahren wird Deutschland von einem Drei-Parteien-Bündnis aus SPD, Grünen und FDP regiert, der sogenannten Ampelkoalition. Die Grundlage ihrer Politik bildet der neue Koalitionsvertrag mit seinen Zielen und Maßnahmen. Doch hinsichtlich übergreifender politischer Schwerpunkte und gemeinsamer Leitlinien der Ampelkoalition, auch im Hinblick auf Landwirtschafts- und Gentechnikpolitik, fehlen die Erfahrungswerte: Es ist die erste Koalition dieser Art auf Bundesebene und auch auf Landesebene sind rot-gelb-grüne Regierungen Einzelfälle. Traditionell liegen Bündnis 90/Die Grünen und die FDP bei der Bewertung von Umweltauswirkungen durch die Landwirtschaft sowie dem Einsatz von Gentechnik weit auseinander. Die SPD hat in den letzten beiden Wahlperioden im Umweltministerium ein dezidiert umweltpolitisches und dem Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft kritisch gegenüberstehendes agrarpolitisches Profil gezeigt. Sowohl bei den Grünen wie auch bei der SPD flammten aber in den letzten Jahren immer wieder Diskussionen um die neue Gentechnik auf. Was erwartet uns nun also in Sachen Landwirtschaft und Gentechnik in der Zukunft?

Ministerien zeigen Wille zur Veränderung

Das Ministerium für Landwirtschaft und Ernährung (BMEL) und das Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (BMUV) standen sich zuletzt häufig konfrontativ gegenüber. Die Tatsache, dass beide Ministerien nun grün besetzt sind, dürfte für alle, die schon länger für eine Agrarwende streiten, eine große Erleichterung sein. Denn rund um die Wahl und während der Koalitionsverhandlungen wurde immer wieder die Befürchtung geäußert, dass ein FDP-geführtes Agrarministerium Änderungen in der Agrarpolitik abblocken würde, was vermutlich einen Stillstand auch in den kommenden vier Jahren bedeutet hätte. Nun lässt sich auf das gemeinsame Ziel einer nachhaltigeren Landnutzungspolitik in beiden Ministerien hoffen. Auch ein größerer Einfluss des BMUV sowie eine verstärkte Berücksichtigung umweltpolitischer Überlegungen in Agrarfragen ist zu erwarten. Das würde eine deutliche Abkehr von der Politik der Vorgängerregierung bedeuten, in der Initiativen z.B. zum Insektenschutz und für den Glyphosatausstieg ausgebremst wurden. Erste Interviews und Äußerungen des neuen Agrarministers, Cem Özdemir, deuten bereits darauf hin, dass klare Brüche mit der Ankündigungspolitik seiner CDU-/CSU-Vorgängerin Julia Klöckner gewollt sind. So betonte Özdemir schon in seinen ersten Amtstagen, dass weniger Tierleid und mehr Tierschutz sowie mehr Wertschätzung für Lebensmittel ganz oben auf der To-do-Liste des BMEL stünden.1

Pläne zu Tierhaltung, Glyphosatausstieg und Ökolandbau

Den Willen zum Umbau der Landwirtschaft drückt auch der Koalitionsvertrag aus. So soll beispielsweise die Tierhaltung deutlich verbessert und gleichzeitig eine verpflichtende Kennzeichnung der Haltungsbedingungen an tierischen Produkten entwickelt werden. Auch für den Ackerbau gibt es klare Ziele im Koalitionsvertrag: Der Anteil des Ökolandbaus soll mit 30 Prozent an der Landnutzung deutlich ansteigen und auch der Glyphosat-Ausstieg bis Ende 2023 soll kommen. Damit distanziert sich die neue Regierungskoalition deutlich von den unionsgeführten Vorgängerregierungen. Deren zuständige Minister*innen Schmidt bzw. Klöckner hatten kurz vor ihrem Amtsende noch – gegen Koalitionsvereinbarungen – auf EU-Ebene der Wiederzulassung des umstrittenen Totalherbizids zugestimmt2, bzw. den schon 2018 vereinbarten Ausstieg aus der Glyphosatnutzung auf Seiten des BMEL mehr oder weniger ausgesessen. Die Strategie zur Ernährungswende und ein Programm für nachhaltigen Ackerbau, sowie eine lange Liste von Bausteinen für die Reduktion des Pestizideinsatzes zeigen: im Koalitionsvertrag sind die Ambitionen, bei der Agrarpolitik einige große Blöcke anzugehen, festgeschrieben. Umweltministerin Steffi Lemke hat in ihren ersten Wochen nun schon deutlich gemacht: „Ich gehe nicht davon aus, dass wir innerhalb von vier Jahren komplett auf Pestizide verzichten können. Aber wir brauchen eine deutliche Verringerung, wenn wir das Insektensterben aufhalten wollen“.3

Der – allerdings massive – Wermutstropfen: Aussagen zur Finanzierung sind bisher rar. Erst konkrete Haushaltsplanungen der Ampelkoalition werden zeigen, ob und in welchem Umfang zusätzliche Mittel bereitgestellt werden und ob die Ministerien die in der Koalition verhandelten neuen Schwerpunkte auch finanzieren können.

Unklarheit beim Thema Gentechnik

Anders als die oben genannten Aspekte wird Agro-Gentechnik im Koalitionsvertrag nicht explizit erwähnt. Statt mit Gentechnik ist im Landwirtschaftskapitel des Vertrags die Züchtung klimarobuster Sorten mit der „Stärkung von Populationssorten, Crowd-Breeding und Digitalisierung“ verknüpft, und ein geplantes Bundesprogramm „Zukunftsfähiger Ackerbau“ soll die „verstärkte Forschung und Förderung für einen breiter aufgestellten klimarobusten Pflanzenbau“ in den Blick nehmen.4 Damit finanzielle Mittel in ökologische und konventionelle Züchtung sowie Forschung und Entwicklung von klimaangepassten Ackerbausystemen fließen, kommt es aber auch hier auf die entsprechende Schwerpunktsetzung und finanzielle Ausstattung im Haushalt an.

Ambivalent bleibt das Forschungskapitel. Hier scheint zwar die Forderung nach systemischen Ansätzen angekommen zu sein. Eines von drei Zukunftsfeldern soll sich u.a. mit „Klima, Klimafolgen, Biodiversität, Nachhaltigkeit, Erdsystem und entsprechenden Anpassungsstrategien, sowie nachhaltigem Landwirtschafts- und Ernährungssystem“ beschäftigen. Allerdings zeigt sich im Forschungskapitel auch die Gentechnik-Offenheit der Forschungspolitiker*innen der Parteien: so sollen „biotechnologische Ergebnisse in allen Anwendungsgebieten“ nutzbar gemacht werden – Erprobung und Einsatz von Gentechnik, sowie neue Gentechnik auch für die Landwirtschaft sind damit nicht ausgeschlossen.5

Da sich die Koalition in ihrem Vertrag bzgl. der Gentechnik nicht auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt hat, ist zu vermuten, dass die noch ausstehende nationale Umsetzung des Gentechnik-Opt-Out wieder nicht angegangen wird. Unklar bleibt auch, wie sich die Koalition zu den von der EU-Kommission vorgelegten Deregulierungsvorschlägen bei den neuen Gentechniken verhalten wird – zur Regulierung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) findet sich nur das Bekenntnis zu Transparenz und Stärkung der Risikoforschung im Koalitionsvertrag. Umweltministerin Steffi Lemke hat beim Umweltrat im Dezember 2021 jedoch schon deutlich gemacht, dass der Koalitionsvertrag der Ampelregierung keine Änderung des EU-Gentechnikrechts vorsehe.6

Und jetzt?

Wird in Deutschland in den nächsten vier Jahren der Umbau der Landwirtschaft angepackt? Das wird sicher zu einem großen Teil davon abhängen, ob ausreichend Finanzmittel für die ambitionierten Programme von besserer Tierhaltung bis zu nachhaltigem Ackerbau bereitgestellt werden.

Wie wird sich Deutschland im von der EU-Kommission gestarteten Deregulierungs-Verfahren aufstellen? Auf diese Frage, die für die deutschen Umwelt-, Natur- und Verbraucher*innenschutzverbände genauso wichtig ist wie für die vielen Wirtschaftsakteur*innen der Öko- und konventionell gentechnikfrei arbeitenden Lebensmittelkette, gibt der Koalitionsvertrag keine ausreichende Antwort. Auch mit der neuen Bundesregierung wird Vieles in der Agrar- und Gentechnikpolitik davon abhängen, wie Umwelt- und Landwirtschaftsministerium konkret dazu arbeiten und was die Fraktionen im Bundestag von der Regierung, aber auch die Zivilgesellschaft von Fraktionen und Parteien fordern. Es bleibt also politische Arbeit zu tun!

  • 1Frankfurter Rundschau (26.12.2021): Mehr Tierwohl, weniger Zucker und keine Dumpingpreise: Özdemir mit Statement an Verbraucher.
  • 2Infodienst Gentechnik (27.11.2017): Deutschland beschert Europa Glyphosat bis 2022. Online: www.kurzelinks.de/gid260-pc
  • 3agrarheute (27.12.2021): Weniger Pflanzenschutzmittel: So will Lemke es durchsetzen. Online: www.kurzelinks.de/gid260-pb.
  • 4Koalitionsvertrag der Ampel, Kapitel Landwirtschaft, S.46.
  • 5Koalitionsvertrag der Ampel, Kapitel Landwirtschaft S.19-24 und S.43-48. Online: www.kurzelinks.de/gid260-pd.
  • 6topagrar (21.12.2021): Umweltministerin Lemke will keine Gentechnik-Reform. Online: www.kurzelinks.de/gid260-pe.
GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
260
vom Februar 2022
Seite 26 - 27

Daniela Wannemacher ist Gentechnik-Expertin beim BUND.

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