Kurz notiert - Landwirtschaft und Lebensmittel
Gentechnikfrei
TILLING-Weizen mit mehr Proteinen
Wissenschaftler*innen aus Australien und UK haben einen Weizen entwickelt, der 15–25 Prozent mehr Proteine enthält als vergleichbare Sorten und gepaarte Ähren (einen doppelten Blütenstand) besitzt. Die Wissenschaftler*innen um Laura E. Dixon suchten im Genom des Weizens nach relevanten Genen für die Landwirtschaft, die zum Beispiel die Entwicklung von Weizenblütenständen regulieren. Dafür untersuchten sie eine TILLING (targeting induced local legions in genomes) Population von Weizen, wobei eine mit Ethylmethansulfonat (ein chemisches Mutagen) behandelte Mutantenpopulation auf Pflanzengruppen, die gepaarte Ährchen bilden, gescannt wurde. Dabei identifizierten sie ein Allel für einen Transkriptionsfaktor auf den Subgenomen von Weizen. Dieses bringt durch eine Mutation mehr blütentragende Ährchen hervor und erhöht unerwarteterweise den Proteingehalt des Korns. Eine Ertragssteigerung durch das doppelte Ährchen ist denkbar, aber in der Studie nicht nachgewiesen worden. Die Wissenschaftler*innen hoffen, dass sie den neuen Weizen den Züchter*innen in zwei bis drei Jahren zur Verfügung stellen können. In sieben bis zehn Jahren wäre er dann voraussichtlich für den kommerziellen Anbau bereit. (ScienceAdvances, 11.05.22, https://doi.org/10.1126/sciadv.abn5907; foodnavigator, 13.05.22, www.foodnavigator.com) (jd)
Brasilien baut mehr konventionelle Soja an
Brasilien will seine Anbaufläche für konventionelle, also gentechnikfreie Soja für die Ernte 2022/23 um 24 Prozent erweitern, berichtet das brasilianische Instituto Soja Livre (ISL). Das bedeutet einen Wachstumssprung von 793.000 Hektar in 2021/22 auf über eine Million Hektar in dieser Saison. Generell wächst nur auf ungefähr 2 Prozent der brasilianischen Soja-Anbaufläche gentechnikfreie Soja. „Wir beobachten, dass neue Akteure in den Non-GVO-Markt eintreten, und große internationale Unternehmen investieren wieder in Non-GVO-Sojabohnen“, sagt ISL-Mitarbeiter Endrigo Dalcin. Ein weiterer Anstoß für den höheren Anbauanteil an konventioneller Soja ist die Situation in Indien, dem Land, aus dem eigentlich die meiste, in die EU importierte Soja kommt. Im Zuge der Corona-Pandemie hat Indien seine Exporte gestoppt und somit eine ungedeckte Nachfrage geschaffen. „Die Entwicklung in Brasilien ist ein sehr gutes Zeichen dafür, dass die Verfügbarkeit gentechnikfreier Futtermittel weiterhin gegeben sein wird, und dass sie sich über die Märkte weltweit regelt. Die ‚Ohne Gentechnik‘-Produktion ist also weiterhin gesichert“, kommentiert Geschäftsführer Alexander Hissting vom Verband Lebensmittel ohne Gentechnik. (European Supermarket Magazin, 24.06.22, www.esmmagazin.com; VLOG, 01.07.22, www.ohnegentechnik.de) (jd)
Wissenschaft
Gv-Pflanzen in den USA fördern klimaschädliche Landwirtschaft
Wissenschaftler*innen untersuchten die Veränderung der Bodenbearbeitungsintensität in den US-Anbausystemen für Mais und Sojabohnen sowie die Auswirkungen der Bodenbearbeitungsintensität auf die Treibhausgasemissionen. Dafür nutzen sie verschiedene Daten aus dem Zeitraum 1998–2016 und einen prozessbasierten Modellierungsansatz. Die Ergebnisse zeigen: Eine vermehrte Bodenbearbeitung führte zu einer erhöhten Freisetzung von Treibhausgasen. Den Wissenschaftler*innen zufolge nahm die Bodenbearbeitungsintensität seit 1998 ab, bis sie 2008 wieder zu steigen begann. Der Boden wird in der Landwirtschaft zur Vorbereitung des Feldes für die Aussaat bearbeitet sowie als Maßnahme zur Beikrautbekämpfung. Demnach wird der Wandel in der Intensität der Bearbeitung mit dem vermehrten Aufkommen von Herbizid-
resistenten Wildpflanzen begründet, der zeitlich eng mit der Einführung von gentechnisch verändertem Mais und Soja mit einer Herbizid-Resistenz zusammenfällt. Der vorübergehend erzielte Nutzen, also die Verringerung der Treibhausgasemissionen bis 2008 (-5,5 ± 4,8 TgCO2e yr-1), wurde durch die darauffolgende erneute Zunahme der Treibhausgasemissionen (13,8 ± 5,6 TgCO2e yr-1) aufgrund der Intensivierung der Bodenbearbeitung unter dem wachsenden Druck der Unkrautresistenz mehr als neutralisiert. Die Wissenschaftler*innen betonen, dass davon auszugehen ist, dass die Problematik der resistenten Beikräuter weiter zunimmt und unterstreichen die Bedeutung alternativer Strategien zur Beikrautbekämpfung. (nature food, 21.04.22, https://doi.org/10.1038/s43016-022-00488-w) (jd)
Mehr Schädlinge durch Bt-Sojaanbau
Forscher*innen haben in einer Studie den Einfluss von Bt-Sojapflanzen im Vergleich zu Nicht-Bt-Sojapflanzen auf biologische und vor allem reproduktive Parameter bestimmter Schmetterlingsraupen untersucht. Die Bt-Sojapflanzen mit bestimmten Insektizid- und Herbizidresistenzen führten bei Experimenten zu einer erhöhten Wachstumsrate von Beikräutern wie Amaranth, die Resistenzen gegen die Herbizide gebildet hatten. Das vermehrte Auftreten steigerte das Wachstum von Schädlingspopulationen wie die des Heerwurms. Dieser breitete sich soweit aus, dass er Resistenzen gegen das Insektizid in der Bt-Sojapflanze bildete und neben Amaranth auch Sojapflanzen befiel. In der Studie konnten kontraproduktive Wechselwirkungen beobachtet werden, denn anstatt die Ausbreitung von Schädlingen zu minimieren, wurde die biologische Fitness der Schädlinge durch die Bt-Sojapflanze sogar gesteigert und deren Ausbreitung gefördert. Auch die Vitalität insgesamt hat sich für den Schädling ins Positive entwickelt. Die Larven der Nachtfalter waren größer und es überlebten mehr Nachkommen als in der Vergleichspopulation bei der Nicht-Bt-Sojapflanze. Die Studie kam zum Ergebnis, dass die biologische Fitness des Heerwurms insgesamt 27,88% höher war als bei Schädlingen auf Feldern mit Nicht-Bt-Sojapflanzen. (Wiley, 28.03.22, doi.org/10.1002/ps.6882; Testbiotech, 03.06.22, www.testbiotech.org) (lp)
Schweiz: Klimaneutrale Biolandwirtschaft ist möglich
Eine aktuelle Studie des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) zeigt erstmals, dass eine klimaneutrale Biolandwirtschaft in der Schweiz bis 2040 erreichbar ist. Der Studie zufolge sind dafür, neben der Landwirtschaft, auch Verbraucher*innen gefordert, ihren Beitrag durch Änderung des Konsumverhaltens zu leisten. Als größte Herausforderung identifizierte die Studie die Reduktion der Treibhausgasemissionen in der Biolandwirtschaft. Demnach sei es möglich, rund 15 Prozent der Emissionen einzusparen und 45 Prozent zu kompensieren. Eine weitere Reduktion der Emissionen um 25 Prozent sei durch die Anpassung des Konsument*innenverhaltens möglich, vor allem durch einen geringeren Verzehr tierischer Lebensmittel und weniger Lebensmittelverschwendung. Der Studie zufolge braucht es ferner noch weitere verstärkte Innovationen in Landwirtschaft und Konsum bis ins Jahr 2040, um auch die verbleibenden 15 Prozent des Ziels erreichen zu können. Forschung und Beratung seien hier im höchsten Maße gefordert. Um das ambitionierte Ziel in der Biolandwirtschaft zu erreichen, müssten alle Beteiligten des gesamten Ernährungssystems zusammenarbeiten und sich den großen Herausforderungen stellen, so Markus Steffens, Boden- und Klimaforscher und Mitverfasser der Studie. Viele der Maßnahmen würden aber auch zur Anpassung an den Klimawandel beitragen und somit helfen, die Ernährungssicherheit in Zukunft gewährleisten zu können. Laut Steffens könne mit konsequentem Klimaschutz die Wertschöpfung im Biolandbau der Schweiz nicht nur erhalten, sondern auch kontinuierlich ausgebaut werden. (Forschungs-
institut für biologischen Landbau, 22.04.22, www.fibl.org) (pv)
Nahrungsmittel
Nigeria: Kritik an Einfuhr von gv-Fischen
In Nigeria soll der gentechnisch veränderte (gv) Tilapia-Fisch eingeführt werden. Der afrikanischen Organisation FishNet Alliance zufolge sollen die Fische bereits im Mai in Nigeria eingetroffen sein. FishNet Alliance kritisiert, der Fisch sei für industrielle Aquakulturmodelle produziert worden, ohne Rücksicht auf mögliche ökologische und umweltpolitische Bedenken. Die Auswirkungen ihrer Freisetzung in die Natur seien noch nicht bekannt, Untersuchungen hätten jedoch gezeigt, dass die Freisetzung von nur 60 Fischen in eine Wildpopulation von 60.000 Fischen in weniger als 40 Fischgenerationen zur Ausrottung der Wildpopulation führe. Die gv-Fische könnten zudem weder die Ursache der Probleme im Fischereisektor noch die Probleme des Hungers und der Unterernährung im Lande lösen, erklärt Stephen Oduware, Koordinator der Organisation. Die Ursachen der Probleme seien vielmehr die Umweltverschmutzung durch die Erschließung und Ausbeutung von Erdöl und Erdgas sowie illegale und unregulierte Fischereiaktivitäten, die zu einer Überfischung von Ziel- und Nichtzielarten und der Zerstörung wichtiger Mangrovenwälder führten. (CityVoice, 12.05.22, www.cityvoice.ng; The Guardian, 15.05.22, www.guardian.ng) (pv)
Forderung nach Verbot der Bt-Kuhbohne in Afrika
Die nigerianische Organisation Health of Mother Earth Foundation (HOMEF) forderte im April im Rahmen eines Runden Tisches mit anderen afrikanischen Organisationen und Wissenschaftler*innen ein Verbot der gentechnisch veränderten (gv) Bt-Kuhbohne und anderem gv-Saatgut in Nigeria. Die Ausbreitung des gv-Saatguts müsse gestoppt werden, so HOMEF. Afrika dürfe nicht zu einer Müllhalde für riskante Technologien werden. Das Saatgut beeinträchtige die Bodenfruchtbarkeit, Kleinbäuer*innen würden verarmen und die Landnahme für Monokulturen gefördert. Mariann Bassey-Orovwuje von Friends of the Earth Nigeria/Afrika, erklärte, dass die Abgabe von GVO an Landwirt*innen ohne deren Zustimmung illegal sei. Sie kritisierte, dass in Nigeria eine gv-Kuhbohne zugelassen würde, die Südafrika abgelehnt hat und dass Nigeria eine gv-Baumwolle einführen solle, die in Burkina Faso kläglich gescheitert sei. Dr. Ifeanyi Casmir von der Universität Abuja in Nigeria zufolge wurden vor der Zulassung der gv-Kuhbohne nur unzureichende Risikobewertungen durchgeführt, sodass es keine Garantie für die Unbedenklichkeit der Pflanze für Mensch und Umwelt gebe. Die Vertreter*innen des Runden Tisches waren sich einig, dass Nigeria durch ein undurchsichtiges System der Zulassung und Verbreitung von GVO großen Risiken ausgesetzt sei und forderten ein 20-jähriges Moratorium für die landwirtschaftliche Gentechnik. Die Kuhbohne ist eine der größten einheimischen Nahrungspflanzen auf dem afrikanischen Kontinent und ein Grundnahrungsmittel in Nigeria. (Environews Nigeria, 28.04.22, www.environewsnigeria.com) (pv)
Anbau & Pestizide
GV-Weizen aus Argentinien für die Welt
Im Mai 2022 hat die argentinische Regierung Anbau und Handel des gentechnisch veränderten (gv) HB4-Weizens vom Biotechnologie-Unternehmen Bioceres genehmigt. Der Krieg in der Ukraine und seine Auswirkungen auf den Weltmarkt haben wohl den Ausschlag gegeben. Die Genehmigung sorgte in Argentinien bei den großen Weizenproduzent*innen und Exporteur*innen wie auch bei vielen Klein- und Ökobetrieben für viel Skepsis und Empörung. Die Angst, in den globalen Handelsketten für Kontaminationen von konventionellem Weizen verantwortlich zu sein oder keine Abnehmer*innen für den gv-Weizen zu finden, ist groß. Argentinien ist mit 14 Millionen Tonnen der siebtgrößte Exporteur von Weizen weltweit. Nun hat Brasilien, wichtigster Abnehmer von argentinischem Weizen, den Import und die Verwendung von Mehl aus HB4-Weizen genehmigt, Kolumbien, Australien, Neuseeland sowie die USA folgten. Der EU liegt ebenfalls ein entsprechender Genehmigungsantrag vor. In Argentinien wird der HB4-Weizen vorerst nur von 250 lizenzierten Betrieben angepflanzt. HaHB4 ist ein Gen, das ursprünglich in Sonnenblumen vorkommt und den Weizen Dürre- und Salz-resistenter machen soll. Des Weiteren wurde dem HB4-Weizen eine Resistenz gegen das Herbizid Glufosinat-Ammonium eingebaut, welches als toxischer als der umstrittene Unkrautvernichter Glyphosat gilt. Laut eines Berichts der argentinischen Nachrichtenplattform „offener Kanal“, der auf einer Präsentation des argentinischen Agrarministeriums basiert, liefert der Weizen allerdings rund ein Drittel weniger Ertrag (24 Doppelzentnern pro Hektar) als konventioneller Weizen in Argentinien (34,4 Doppelzentnern pro Hektar). (tagesschau.de, 30.06.22, www.tageschau.de; reuters, 23.06.22, www.reuter.com; canalabierto, 19.06.22, www.canalabierto.com.ar) (jd)
Risikodebatte
Einfluss von „Schlüsselgenen“ auf Ökosysteme
Nicht nur Schlüsselarten haben einen großen Einfluss auf die Artenvielfalt innerhalb eines Ökosystems. Wie Forscher*innen in einer Studie zeigen, kann bereits die Veränderung eines einzelnen Gens in einem Organismus dazu führen, dass sich die Vielfalt in einem Ökosystem stark verändert. In der Studie wurde betrachtet, wie sich die Veränderung von je drei Schutzgenen der Ackerschmalwandpflanze auf den Fortbestand eines Nahrungsnetzes von Insekten wie z.B. Blattläusen auswirkt. Bei der Trennung der Genvarianten, also einer Reduktion der Vielfalt durch einen kleineren Genpool, konnten die Forscher*innen eine Destabilisierung des Nahrungsnetzes in Form veränderter Wachstums- und Fortpflanzungsraten beobachten. Die ungleichmäßige Verteilung dieser Raten führte teilweise zum Artensterben. Das Ergebnis deutet darauf hin, dass bestimmte Variationen (Aleele) eines einzelnen Gens bereits einen großen Einfluss auf die Struktur und Funktion von organismischen Systemen, wie Nahrungsnetzen, haben können. Die Forscher*innen sprechen bei diesen entscheidenden Genen von „Schlüsselgenen“ und wollen eine Brücke zwischen den biologischen Ebenen schlagen – von den Genen bis zu den Ökosystemen – um das Fortbestehen von Gemeinschaften zu verstehen und zu sichern. (Science, 31.03.22, www.science.org/doi/10.1126/science.abf2232; Testbiotech, 25.05.22, www.testbiotech.org) (lp)
Politik & Handel
UK: Gesetzentwurf zur Gentechnik
In Großbritannien hat der Gesetzentwurf zur Regelung von Pflanzen und Tieren aus neuen Gentechnikverfahren eine weitere Hürde überwunden. Er wurde ohne Änderungen an das Unterhaus weitergeleitet. Dort können Änderungsanträge zum Gesetzentwurf eingereicht werden. Das Gesetz soll die Zulassung von Produkten beschleunigen, die mit Verfahren der neuen Gentechnik hergestellt wurden. Der Regierung zufolge soll mit dem neuen Gesetzesentwurf das Potenzial neuer Technologien freigesetzt werden, um eine nachhaltige und effiziente Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion zu fördern. Großbritannien hat zuvor bereits Feldversuche mit solchen Pflanzen erleichtert. Damit setzen die Konservativen ihren Plan weiter um, zu einem der führenden Länder für Gentechnik in der Landwirtschaft zu werden, so der Informationsdienst Gentechnik. Während Gentechnikforscher*innen und Pflanzenzüchter*innen die Ankündigung des neuen Gesetzes begrüßten, kritisierte die zivilgesellschaftliche Organisation GM Freeze, die Pläne würden die bisherige Transparenz im Landwirtschafts- und Lebensmittelbereich gefährden. Dabei wies sie auf die Konsultation des britischen Umweltministeriums Defra zu den Deregulierungsplänen im Frühjahr 2021 hin, in der sich die meisten Teilnehmenden für die Beibehaltung der Regelungen nach dem aktuellen EU-Gentechnikrecht ausgesprochen hatten. (Informationsdienst Gentechnik, 17.05.22, www.keine-gentechnik.de; UK Parliament, 12.07.22, https://bills.parliament.uk) (pv)
CETA: Baldige Ratifizierung?
Die Ratifizierung des Handelsabkommens der EU mit Kanada, CETA, rückt näher. Die Ampelkoalition wolle das Ratifizierungsgesetz noch vor der Sommerpause beschließen, berichtete die Tagesschau. Vor allem bei den Grünen sei CETA lange umstritten gewesen, nun habe sich die Stimmung gewandelt. Die Koalition habe angekündigt, Nachbesserungen an dem bereits ausgehandelten Abkommen erzielen zu wollen. Dabei gehe es zum Beispiel um die Regelungen zu Investor-Schiedsgerichten. Damit sollte kein Druck gegen Umweltauflagen gemacht werden können, so Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge. Es sei eine Grundlage für eine neue Handelspolitik geschaffen worden, die fairer und nachhaltiger sein werde, so Dröge weiter. Insbesondere bei den Grünen hatte es bislang Bedenken gegeben, etwa zu dem im Abkommen vorgesehenen Sonderklagerecht von Konzernen. Doch es gibt auch Kritik an der geplanten Ratifizierung: Ein breites gesellschaftliches Bündnis hatte im Juli auf die erste Lesung des CETA-Ratifizierungsgesetzes der Ampelkoalition im Bundestag aufmerksam gemacht und gegen das Sonderklagerecht der Konzerne protestiert. Paralleljustizen mit Sonderklagerechten für Großinvestoren stünden dem Klimaschutz, dem Verbraucher*innenschutz und der Demokratie im Weg, kritisiert Ludwig Essig, Handelsexperte am Umweltinstitut München. Eine Ratifizierung sei ein klares Bekenntnis zu den privaten Schiedsgerichten. CETA trat am 21.09.17 vorläufig in Kraft. (Tagesschau, 23.06.22, www.tagesschau.de; Deutscher Naturschutzring, 07.07.22, www.dnr.de) (pv)
EU: Befragung zu neuen Gentechniken
Die Europäische Kommission hat Bürger*innen und Interessensträger*innen dazu aufgerufen, sich in einer öffentlichen Konsultation zu den Vorhaben bezüglich einiger neuen Gentechnikverfahren zu äußern. Die zweimonatige Befragung endete am 22.07. und sollte die öffentlichen Ansichten sowie mögliche Optionen für einen neuen Rechtsrahmen erfassen. Die Kommission zielt damit nach eigenen Angaben „auf eine angemessene Regulierungsaufsicht“ über Pflanzen ab, die mit neuen gentechnischen Verfahren (NGT) hergestellt werden. Damit werde ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt angestrebt. Außerdem werde Innovation ermöglicht und mit sicheren NGT-Erzeugnissen zu den Zielen des europäischen Grünen Deals und der Strategie ‚Vom Hof auf den Tisch‘ beigetragen. Kritik kam von Seiten einiger Wirtschafts- und Umweltverbände, die die Konsultation für zu einseitig halten. So wirft der europäische Verband der gentechnikfreien Lebensmittelwirtschaft (ENGA) der Kommission vor, die Fragen zu tendenziös gestellt zu haben und die Konsultation so beeinflussen zu wollen. Wichtige Aspekte des Gentechnikrechts wie Transparenz, Standortregister sowie Koexistenz- und Haftungsregelungen würden zudem gar nicht benannt, kritisiert die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Es wurden bis Ablauf des Konsultationszeitraums insgesamt 2.300 Eingaben gemacht. Mit einem Anteil von 26 Prozent stammen die meisten Eingaben aus Deutschland, gefolgt von Italien, Frankreich und Spanien. Zudem sind vor allem Bürger*innen vertreten, gefolgt von Universitäten und Unternehmensverbänden. (Europäische Kommission, o.D.,
www.ec.europa.eu; Informationsdienst Gentechnik, 06.05.22, www.keine-gentechnik.de) (pv)
Schweiz: Bundesrat legt Bericht zur Agrarstrategie vor
Der Bundesrat zeigt im Bericht „Zukünftige Ausrichtung der Agrarpolitik“ wie die Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft künftig einen größeren Beitrag für die Ernährungssicherheit leisten kann. In drei Etappen umgesetzt, soll die Strategie für die Schweizer Landwirtschaft langfristige Perspektiven schaffen. Es geht darum, bis 2050 die Ernährungssicherheit durch Nachhaltigkeit zu erreichen. Ein Ziel ist es, natürliche Ressourcen zu schonen z. B. durch Maßnahmen wie die Reduktion des Pestizideinsatzes. Einbezogen werden sollen alle Bereiche von der Produktion bis hin zum Konsum. Nur durch Anpassung, auch von Seiten der Verbraucher*innen, kann der ernährungsbedingte ökologische Fußabdruck im Inland reduziert werden. Auch die Verschwendung von Lebensmitteln wird thematisiert. Der Paradigmenwechsel hin zur Nachhaltigkeit steht vor großen Herausforderungen. Der Bericht fokussiert jedoch in erster Linie auf technische Lösungsmöglichkeiten sowohl für die Anforderungen, die der Klimawandel mit sich bringt, als auch für die Entwicklung neuer Produkte, die die Ernährung sichern sollen. So sollen „neue Züchtungsverfahren“ klimaresistente und angepasste Pflanzen hervorbringen. Gemeint sind damit Verfahren der sog. neuen Gentechnik. Vernachlässigt wird im Bericht, dass nur auf Vielfalt basierende agrarökologische Ansätze zu einer widerstandsfähigen und klimaangepassten Landwirtschaft führen. (Bundesamt für Landwirtschaft, 22.6.22,
www.blw.admin.ch) (gp)
Konzerne
USA: Nächste Runde im Prozess Glyphosat und Bayer
Der Chemiekonzern Bayer AG ist mit einem geplanten Glyphosat-Berufungsverfahren vor dem Obersten US-Gericht gescheitert. Die US-Regierung unter Joe Biden hatte dem Obersten Gericht abgeraten den Fall zu übernehmen. An dieses hatte Bayer einen Antrag auf Prüfung des Rechtsstreits mit Edwin Hardeman gestellt. Dem krebskranken Hardeman waren 2019 25 Millionen US-Doller Schadensersatz von Bayer zugesprochen worden, weil Bayer (damals Monsanto) nicht über die vermeintlich krebserregende Wirkung seines glyphosathaltigen Herbizids Roundup informiert hatte. Der Fall gilt als richtungsweisend für viele ähnliche Klagen gegen Bayer. Für Bayer erlischt damit die nächste Hoffnung auf ein Ende im Dauerkonflikt um juristische Altlasten, die sich der Konzern mit der über 60 Milliarden Dollar teuren Übernahme des US-Saatgutriesen Monsanto im Jahr 2018 aufgeladen hatte. Erst im Juli hatte ein Bundesberufungsgericht in Alabama, USA, die Klage eines Mannes aus Georgia wieder aufgenommen, der behauptet, das Herbizid Roundup der Bayer AG habe seine Krebserkrankung verursacht. Trotz allem konnte die Bayer AG Anfang des Jahres dank einer hohen Nachfrage nach Pflanzenschutzmitteln sowie Preiserhöhungen eine Umsatzsteigerung um 18,7 Prozent auf 14,6 Milliarden Euro verzeichnen. (tagesschau, 10.05.22 u. 21.06.22, www.tagesschau.de; reuters, 12.07.22, www.reuters.com) (jd)
USA: Agrarforschung zunehmend privat finanziert
Forschung im Bereich Ernährung und Landwirtschaft wird in den USA zunehmend privat finanziert. Der US-amerikanische Economic Research Service veröffentlichte im Frühjahr eine Zusammenfassung der Finanzierung der Lebensmittelforschung. Daraus geht hervor, dass die staatliche Finanzierung der Agrar- und Lebensmittelforschung seit Anfang der 2000er Jahre rückläufig ist, während die private Finanzierung durch Unternehmen und Industrie seit 2008 stark zugenommen hat. Das sei ein Problem, kritisiert Marion Nestle, ehemalige Professorin für Ernährung, Lebensmittelkunde und öffentliche Gesundheit an der Universität von New York. Sie habe nichts gegen die als solche gekennzeichnete Entwicklung von Produkten einzuwenden, die durch Lebensmittelkonzerne und -industrien gefördert würden. Allerdings bräuchte die USA mehr Grundlagenforschung in den Bereichen Landwirtschaft, Lebensmittel, Ernährung und Gesundheit, die nur mit staatlichen Mitteln, ohne offensichtliche kommerzielle Auswirkungen unterstützt werden könne. Der Rückgang der Bundesmittel für die Lebensmittel- und Ernährungsforschung habe langfristige Auswirkungen auf den wissenschaftlichen Fortschritt, so Nestle. (Economic Research Service, 17.05.22, www.ers.usda.gov; Food Politics, 01.06.22, www.foodpolitics.com) (pv)
Zivilgesellschaft
Venezuela: Warnung vor Offensive der Agrarindustrie
Am Weltaktionstag gegen Monsanto, Bayer und Syngenta im Mai haben verschiedene Basisorganisationen und ökosozialistische Aktivist*innen in Venezuela zur Verteidigung des venezolanischen Saatgutgesetzes mobil gemacht. Die Lobby der transnationalen Agrarkonzerne wolle das Gesetz gegen gentechnisch verändertes (gv) Saatgut abschaffen, berichtete amerika21. In Caracas demonstrierten Vertreter*innen verschiedener populärer Bewegungen, um auf die Bedeutung des Gesetzes gegen gentechnisch verändertes Saatgut hinzuweisen und vor dem Vormarsch der Agrarindustrie in Lateinamerika zu warnen. Diese gefährde die kleinbäuerliche Landwirtschaft sowie das traditionelle Wissen um Saatgut. Zu den Protesten hatten u.a. die venezolanische Kampagne gegen gentechnisch veränderte Organismen, Fundación Pueblo a Pueblo, Frente Ecosocialista por la Vida und Feria Conuquera Agroecológica aufgerufen. Das venezolanische Saatgutgesetz sei ein Schutzschild gegen die Agrarindustrie, das im lateinamerikanischen Vergleich einzigartig sei, so Esquisa Omaña, Sprecherin der Kampagne für gentechnikfreies Saatgut. Das Gesetz sei zudem in einem langen Diskussions- und Konsensprozess von der Basis aus entwickelt worden, erinnert Ximena González vom Zentrum für das Studium sozialer Transformationen (IVIC). Das Bündnis sei angetreten um zu verteidigen, dass die Kontrolle über Lebensmittel in den Händen der Menschen liege, die sie produzieren und konsumieren. (Amerika21, 01.06.22, www.amerika21.de) (pv)
GID-Redaktion
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