Lifegrabbing – Ökonomisierungen von Mensch und Natur

Mehrtägiger Workshop mit Referent*innen, Filmen und Diskussion

Ein Workshop zur Kritik der roten und grünen Bioökonomie, ihrer Unterschiede und Zusammenhänge vom 22. bis 24. Juni 2018
in Strausberg (bei Berlin) mit Übernachtungsmöglichkeit und Vollverpflegung. Das Programm als pdf.
Veranstalter: lifeKritik e.V. in Kooperation mit Gen-ethisches Netzwerk e. V. und Verein für Internationalismus und Kommunikation e. V.

Der Workshop ist offen für interessierte Teilnehmer*innen, die sich kritisch mit der Bioökonomie auseinandersetzen wollen.
Anmeldung bitte bis spätestens 08.06.2018 an: info@lifekritik.de. Genaues Programm und Informationen zur Anmeldung.

Das Verhältnis der Menschen zu sich selbst und ihrer Umwelt ist immer schon ein gesellschaftlich bestimmtes und es verändert sich kontinuierlich. Die seit rund zehn Jahren weltweit eingeführten Strategien zur Förderung der sog. Bioökonomie stellen eine solche Veränderung dar, wobei sie den Zugriff auf Mensch und Natur weiter intensivieren.

Kern des Konzepts der Bioökonomie ist das Eröffnen neuer Ressourcenquellen durch die Nutzbarmachung und Erzeugung regenerativer Rohstoffe. Durch den Zugriff auf Natur und den menschlichen Körper sollen so neue Märkte geschaffen und zugleich der destruktiven Vorstellung von unbegrenztem Wachstum neues Leben eingehaucht werden. Dabei handelt es sich um eine umfassende, auf die unterschiedlichsten Wirtschaftssektoren zielende Strategie (Energie, Verkehr, Landwirtschaft, Medizin, Chemie, ...), die weitreichende, geradezu utopische Ansprüche formuliert und eine bessere Welt verspricht.

Bei der Bioökonomie handelt es sich jedoch keineswegs um eine Ökologisierung der Ökonomie, sondern vielmehr um die forcierte kapitalistische Ökonomisierung alles Lebendigen unter einem grundlegend gewandelten Naturverständnis. Pflanzen, Tiere, Mikroorganismen und letztlich auch der Mensch werden in der Bioökonomie zu Naturkapital und zu Bio-Fabriken zur Herstellung von »Biomasse«. Die damit verbundene Effizienzsteigerung in der Nutzung natürlicher Ressourcen und des Menschen durch den Einsatz »innovativer«, insbesondere gentechnologischer Verfahren soll das gewünschte ökonomische Wachstum garantieren. Gesprochen wird in diesem Zusammenhang von »synthetischer Biologie«, einer Biologie, die den Eingriff und die Kontrolle über das Leben optimieren soll.

Bioökonomie forciert über die Intensivierung der Agrarwirtschaft sowie Land- und Oceangrabbing die Zerstörung von Subsistenzwirtschaften und der natürlichen Ökosysteme. Damit gefährdet sie die Ernährungssicherheit im globalen Süden, führt zu Vertreibung und neuen Abhängigkeiten. Postkoloniale Ausbeutungsverhältnisse werden verschärft und Hochrisikotechnologien machen die Biosphäre für den Profit der mächtigen Life-Science-Konzerne zu einem Versuchsgelände mit unabsehbaren Folgen wie Vergiftung, Artensterben, Resistenzen von Krankheitserregern, Seuchen ...

Das abstrakte biologisch-genetische Verständnis der Bioökonomie von Leben hat u. E. auch weitreichende Auswirkungen auf das Verständnis des Menschen von sich selbst. Die Reduktion des Menschen auf ein mit Mängeln behaftetes genetisch-biologisches System macht zunehmend auch menschliche Körper zu technisch optimierbaren Humanressourcen. Längst sind Märkte für Organe, Samen, Eizellen und mittlerweile auch Kinder entstanden, die entlang sozialer, postkolonialer und rassistischer Spaltungslinien strukturiert sind, und Selektionstechnologien wie die Pränataldiagnostik haben sich etabliert.

Wir sehen die Bioökonomie als eine Verschärfung der Machtzugriffe, von der Verschärfung postkolonialer Ausbeutungsverhältnisse über die Neuausrichtung sexistischer Zugriffe auf Frauen und ihre Leiblichkeit bis hin zu einem grundlegenden Umbau des gesellschaftlichen Naturverhältnisses im Sinne der Ausweitung der Kapitalzugriffe und einer verschärften Inwertsetzung.

Wie dies funktioniert im Bereich der roten und der grünen Bioökonomie, wie rote und grüne Bioökonomie zusammenhängen, wo Unterschiede und Widersprüche liegen und wo sich Ansatzpunkte für Widerstand gegen das bioökonomische »Lifegrabbing« ergeben, wollen wir in diesem Workshop zu verstehen versuchen und diskutieren.

29. Mai 2018

Gen-ethisches Netzwerk e.V.

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